piwik no script img

Wieder Zoff um Religionsunterricht

■  SPD fühlt sich von Kulturverwaltung übergangen, die in einem Staatsvertrag mit der evangelischen Kirche Religionsunterricht als zukünftiges Wahlpflichtfach ausgehandelt hat

Wegen des Streits um die Einführung von Religionsunterricht als Wahlpflichtfach soll jetzt der Koalitionsausschuß einberufen werden. „Hier kann es keinen Alleingang der CDU geben. Das gefährdet die gemeinsame Linie des Senats“, sagte SPD-Sprecher Frank Zimmermann gestern gegenüber der taz.

In der vergangenen Woche handelte Kulturstaatssekretär Lutz von Pufendorf den Staatsvertrag mit der evangelischen Kirche aus. In diesem soll neben Themen wie Seelsorge in Krankenhäusern und Erwachsenenbildung auch die Einführung von evangelischem Religionsunterricht als Pflichtfach festgezurrt werden. Derzeit ist Religionsuntericht in Berlin freiwillig. Bevor der Staatsvertrag in Kraft treten kann, müssen noch Senat und Abgeordnetenhaus sowie die evangelische Synode zustimmen.

Verhandlungspartner für die evangelische Kirche ist die von Peter Radunski (CDU) geführte Kulturverwaltung. Radunski fordert Religionsunterricht als Wahlpflichtfach an Schulen, weil dies „ein richtiger und wichtiger Schritt zu einer gezielten Wertevermittlung“ sei. Die Einführung mehrerer Fächer in einem Wahlpflichtbereich, darunter die Fächer Religion, Ethik und Philosophie und Lebenskunde, sei vor dem Hintergrund der „anhaltenden Gewalttendenzen junger Menschen“ in der Gesellschaft notwendig.

In den Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU und SPD ist jedoch festgelegt, daß man sich erst nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Einführung von Religionsunterricht festlegen werde. Das Gericht urteilt darüber, ob das brandenburgische Unterrichtsfach „Lebenskunde/Ethik/Religion (LER) verfassungskonform ist oder nicht. Mit einem Urteil ist in diesem Jahr jedoch nicht mehr zu rechnen.

Daß die Kulturverwaltung das Thema Religionsunterricht dennoch in den Staatsvertrag miteinbezogen hat, sieht der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder daher als „bewußten Bruch der Koalitionsvereinbarung“. Dies teilte er dem Regierenden Bürgermeister Ebergard Diepgen (CDU) am Wochenende in einem Brief mit.

Auch die Schulverwaltung ist sauer, denn Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) lehnt Religion als Schulpflichtfach ab: „Wir können in dieser wichtigen Frage nicht einfach übergangen werden“, argumentiert Stahmers Sprecherin Almuth Draeger. Die Schulverwaltung werde den Staatsvertrag nicht mitzeichnen. „Wir machen eben das, was wir für richtig halten“, entgegnete Radunskis Sprecher Axel Wallrabenstein.

Großen Druck auf die Kulturverwaltung hat auf jeden Fall die evangelische Kirche ausgeübt. „Wir hätten über den Staatsvertrag nicht weiter verhandelt, wenn der Passus mit dem Religionsunterricht jetzt nicht drinstehen würde“, sagte Ulrich Schröter, Beauftragter der evangelischen Kirche für die Länder.

Die Grünen kritisierten gestern den paraphierten Vertrag. Der erneute Versuch der Christdemokraten, den Religionsunterricht als ordentliches Wahlpflichtfach zu etablieren, sei nichts als „Provokation“, so der kirchenpolitische Sprecher, Dietmar Volk. Es gebe dafür weder im Senat noch im Parlament eine Mehrheit. Erst vor wenigen Wochen war ein Antrag von 55 CDU-Abgeordneten, Religion und Ethik als Pflichtfächer an den Schulen einzuführen, im Kulturausschuß des Abgeordnetenhauses gescheitert. Julia Naumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen