Zeit für Versöhnung

■ Der Kosovo-Konflikt beeinträchtigt Arbeit der Lidice-Initiative / Bremer Pastoren mahnen

Ins Auge fiel den Sodaten der Roten Armee 1945 ein Platz in Lidice, unweit von Prag, auf dem die Wiesen kräftiger und schöner blühten als anderswo. Darunter fanden sie ein Massengrab mit 173 erschossenen Männer und 88 ermordeten Kindern. Die Frauen waren nach Ravensbrück deportiert worden. Das Dorf war dem Erdboden gleichgemacht. Niemand wünscht, jemals einen solchen Platz unweit von Pristina zu finden, wenn der Krieg dort vorbei ist. Doch niemand wird dafür seine Hand ins Feuer legen, daß dies nicht so sein wird.

In den Wallanlagen, in der Nähe des Theaters am Goetheplatz, erinnert ein Denkmal an das Massaker, das heute, am 10. Juni, 57 Jahre her ist. Noch in dieser Woche feiert die Bremer Lidice-Initiative zur Versöhnung ihr zwangzigjähriges Bestehen. Beides ist für die Bremer Pastoren Ernst Uhl und Hans-Günther Sanders Anlaß, eine Bilanz ihrer Versöhnungsarbeit zu ziehen und ihre Arbeit auf die Situation im Kosovo zu übertragen.

„Versöhnung beschämt“, sagt Pastor Sanders. Versöhnung sei nichts Strahlendes, Freudiges und schon gar nicht etwas, was man gerne vorführen möchte. Und Versöhnung sei etwas, womit sich auch die Menschen in Ex-Jugoslawien früher oder später beschäftigen müssen.

Immerhin 27 Jahre hat es gedauert, bis sich die Lidice-Initiative auf dem 18. Kirchentag in Nürnberg 1979 gründete. Erst zwanzig Jahre später wurde ein Versöhnungszentrum und Bürgerhaus in Lidice am ersten Advent 1998 eingeweiht. Die „Oaza“, zu deutsch „Oase“, beherbergt eine ökumenische Kapelle, Wohnungen für Senioren, eine Bücherei für das Dorf und vieles mehr. „Wichtig ist, daß man sich klar macht, wie lange Versöhnung dauert. Auch vor dem Hintergrund des Kosovo-Krieges“, sagt Sanders.

Nachdenklich macht die beiden Pastoren, daß der Kosovo-Krieg ihre Versöhnungsarbeit in Lidice behindert. In Tschechien ist die Bevölkerung laut Pastor Uhl inzwischen sehr skeptisch: Während sich Deutsche in Lidice für die Versöhnung einsetzen, werfen sie über Belgrad schon wieder Bomben ab.

Aufgeben wollen die Pastoren trotz der zunehmend kritischen Stimmung nicht. Vieles gebe Anlaß zur Hoffnung. Beispielweise die Bremerin, die regelmäßig nach Licide fährt, um die Wohungen der Witwen der getöteten Soldaten zu tapezieren. Oder der regelmäßige Jugendaustausch. Zur Zeit planen die Pastoren ein Seminar „Erinnern ohne Zeitzeugen“. Zusammen mit BremerInnen und den Witwen aus Lidice wollen sie ein Konzept zum Erinnern und Versöhnen erarbeiten. Versöhnung braucht viel, viel Zeit und so lautet ihre Botschaft: „Habt langen Atem“.

cer