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Mit Kulturmarketing auf du und du

Nicht immer. Aber immer öfter präsentieren sich verbeamtet gekleidete Männer mit imposanter Socken-Krawatten-Farbkorrelation auf Vernissagen und Premieren. Irgendwann kohtaut dann Theater- oder MuseumschefIn diesem Fremdkörper der Kulturszene mit den Worten: „Ohne der wackeren Hilfe der Bremer Marketing GmbH wäre unser Projekt nicht zu finanzieren gewesen. Danke. Salve. Amen.“ Dieser Satz ist die bremengebräuchliche Abkürzung folgender Satzfolge: „Sehr wohl könnte/müßte/sollte unser Projekt aus dem Kulturetat finanziert werden. Aber am Kulturetat wird geknapst, während dem dusseligsten Käse die Kohle hinterhergeschmissen wird, wenn nur das Logo Wirtschaft dranklebt. Nur weil wir eine Kultursenatorin ohne Rückgrat, Ideale, Überzeugungen haben, gelang es dem Wirtschaftsressort in einem Akt feindlicher Übernahme wie er sonst nur unter raffgierigen Börsenhaien praktiziert wird, sich Entscheidungshoheit über die Kultur anzueignen. Es ist eine Sauerei.“ Doch weil diese Satzfolge dem hanseatischen Stil der Anhänger einer Socken-Krawatten-Farbkorrelation zuwiderläuft, kommt meist die Abkkürzung zum Einsatz.

Teilfinanziert von der Marketing GmbH wird auch der „Aktionsmonat“ im Gerhard-Marcks-Haus, also nützliche, weltrufördernde Dinge wie eine Vorführung des Bronzegießens. Der ganze Erdball erfährt so, daß auch in Bremen die Steinzeit vorbei ist. Und zweifelsohne wird der wunderschöne Katalog gar manche Münchner Internetfirma zu einer Neuansiedlung im Hollerland verlocken. Denn vielleicht stößt man dort auf Bronzeminen und entwickelt daraus neue Halbleiter... oder so, irgendwie. Und so durf-mußte auch Marcks-Haus-Chefin Matina Rudloff einen Vertreter der Socken-Krawatten-Farbkorrelation-Spezies durch ihr konjunkturförderndes Warensortiment führen. Da die taz-Kulturredaktion soeben einen Volkshochschulkurs in Tischerücken und Gedankenlesen (vermutlich auch von der Marketing GmbH teilfinanziert) absolvierte, können wir hier exklusiv die unausgesprochenen Subdialoge von derlei Treffen notieren. Marketing: „Was tue ich eigentlich hier. Ich will Van Gogh-Ausstellungen.“ Kultur: „Ich weiß, daß du Van Gogh-Ausstellungen willst; aber man kann nicht jede Woche van Gogh zeigen.“ Marketing: „Frechheit. Na wenigstens sind deine Manieren vor der Öffentlichkeit formvollendet.“ Kultur: „Klar. Macht sogar irgendwie Spaß, dieses big-business-Getue mitzuspielen. Schauen wenigstens mal gutgekleidete Menschen ohne Fußschweiß vorbei. Klingt auch gut: Wirtschaftsfaktor sein. Ihr fördert auch echt tolles, obskures Minderheitenzeugs. Klassik-Avantgardekonzerte für siebeneinhalb Insiderfans. Oder Tagungen für Cineasten.“ Marketing: „Aber die haben wir gezwungen, Bruno Ganz irgendeinen Preis in die Hand zu drücken. Das gab fünfzeilige Spaltenmeldungen sogar in der SZ.“ Kultur: „Und das schafft Arbeitsplätze?“ Marketing: „Du Idiot. Natürlich nicht. Aber man kann sich als knallharter Realpolitiker verkaufen.“ Kultur: „Jaja, das, was im eigenen Kopf herumspukt, nennt der selbstbewußte Mensch gemeinhin Realität“ bk

Während dieses Dialogs spielt über beide Gesichter ein strahlendes Alles-ist-gut-Lächeln. Es ist genau das der Jacobs Krönung-Werbung.

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