: Riester wankt, und Schröder schwankt
Nach außen hin ist alles klar: Riester bleibt bei seinem Rentenkonzept, und er hat das Vertrauen des Kanzlers. Schröder jedoch behält sich vor, auf welche Seite er sich am Ende schlagen wird ■ Aus Bonn Markus Franz
Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye verkündete scheinbar gute Nachrichten. Die Fraktionen von SPD und Grünen, begann er seine Erklärung vor der außerplanmäßig einberufenen Bundespressekonferenz, würden die umstrittenen Rentenpläne von Arbeitsminister Walter Riester „im wesentlichen mittragen“. Kurz darauf teilte Heye ungefragt mit, Riester habe „das volle Vertrauen des Bundeskanzlers“. Nur warum nuschelte der Regierungssprecher dieses Bekenntnis so schnell herunter? Und warum wirkte er so gereizt?
Vielleicht deshalb, weil sich nicht nur der Fraktionschef der Grünen, Rezzo Schlauch, sondern auch SPD-Fraktionschef Peter Struck im Gespräch mit dem Bundeskanzler am Donnerstag abend gegen einen zentralen Baustein der Riester-Reform ausgesprochen hatte: die offiziell so bezeichnete „obligatorische Eigenvorsorge“, im Volksmund „Zwangsrente“ genannt. „Vorbehalte“, nannte Heye das. Und wie steht der Kanzler dazu? Die Pressekonferenz nahm kabarettreife Züge an.
Auf die Frage, ob der Kanzler die „Zwangsrente“ unterstütze, erwiderte Heye: „Der Kanzler ist zutiefst davon überzeugt, daß die Rente mit Eigenkomponenten ausgestattet werden muß.“ Eigenkomponenten bedeutet Eigenvorsorge, aber heißt das auch obligatorische Eigenvorsorge, wie sie Riester vorsieht? „Ohne Eigenvorsorge“, antwortete Heye und ließ wieder offen, was der Kanzler denn zur Zwangsrente meint. „Obligatorisch?“ fragte ein Berichterstatter erneut nach. Heye: „Ohne Eigenvorsorge wird es nicht gehen“. Mit anderen Worten: Der Arbeitsminister hat mitnichten die volle Unterstützung des Kanzlers. Schröder behält sich vor, auf welche Seite er sich schlagen wird.
Aus dem Arbeitsministerium sowie aus dem Kanzleramt hatte es zuvor geheißen, daß der Kanzler die Pläne Riesters gebilligt habe.
Der öffentliche Druck (Bild: „Kanzler, hier kommt die Wutwelle“) sowie der Widerstand bei den Fraktionen von SPD und Grünen könnten den Kanzler zum Einlenken bewegen. Riester bleibt auch nur unter Vorbehalt standhaft: „Solange ich Mitkämpfer habe“, sagte er gestern, „werde ich auch bei Druck stehenbleiben.“ Aber Mitstreiter hat Riester nicht viele. Immerhin haben sich Finanzminister Hans Eichel sowie die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Doris Barnett (SPD), für den Riester-Plan ausgesprochen. Das wichtigste wäre aber der Rückhalt des Kanzlers, und ob Riester den hat, darf bezweifelt werden. Auf Nachfrage präzisierte Heye: Riester habe insofern das volle Vertrauen des Kanzlers, daß er „ein in sich geschlossenes und nachvollziehbares Konzept“ vorlegen werde.
Aber Riester hat schließlich bereits ein Konzept vorgelegt, das er selbst für in sich geschlossen und nachvollziehbar hält – eines, das dem Kanzler heute nur nicht mehr gefällt. Gestern bekräftigte Riester seine Pläne. Auch sein Staatssekretär Gerd Andres (SPD) bleibt dabei. Wer Teile aus dem Konzept herausnehme, gefährde das ganze. Besteht das Vertrauen des Kanzlers also darin, daß sich Riester wieder einmal verbiegen läßt?
Daß der Arbeitsminister nach der Pleite mit den 630-Mark-Jobs – seine Reformpläne wurden vom Kanzler zunichte gemacht – noch einmal nachgibt, scheint unwahrscheinlich. Der erneute Gesichtsverlust wäre zu groß. Riesters Sprecherin Franziska Fitting antwortete auf eine Frage nach dessen Rücktritt: Der Arbeitsminister gehe davon aus, daß aus dem Konzept nichts herausgebrochen werde. „Er ist guter Dinge, daß er die Fraktionen überzeugen wird.“ Aber was, wenn nicht?
Eigentlich, heißt es bei Beobachtern, kann sich die Koalition zur Zeit einen Rücktritt Riesters schwerlich leisten, weil sie noch in diesem Monat ihre Spar- und Steuerkonzepte vorstellen will. Riester, dessen Ministerium am meisten geschröpft werden soll, sei dafür unverzichtbar. Die Kritik aus den Reihen der SPD an Riester nimmt aber zu. Fraktionschef Struck kritisierte am Freitag dessen Informationspolitik. Es sei falsch gewesen, daß Riesters Überlegungen veröffentlicht worden seien, bevor die Koalitionsfraktionen darüber diskutiert hätten. Riester hatte in einem Hintergrundgespräch vier Journalisten vorab über seine Pläne informiert.
Die Entscheidung über das Rentenkonzept soll noch in diesem Monat fallen. Ursprünglich sollten die Spar- und Steuerpläne der Regierung am 30. Juni im Kabinett verabschiedet werden. Die Rente ist dabei ein unverzichtbarer Baustein, weil ihre Höhe großen Einfluß auf den Finanzbedarf hat. Möglicherweise soll die Entscheidung nun eine Woche vorverlegt werden. Um den Spekulationen Einhalt zu gebieten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen