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Schlau und findig ■ Diepgen will alle Ministerien nach Berlin holen
Es freut immer, wenn der Populist und oberste Berlin-Kämpfer qua Amt, Eberhard Diepgen, wieder einmal etwas für den Standort Berlin tun will. In diesem Fall versucht er als kleines Wahlkampfgeschenk, ein paar Arbeitsplätze in die Hauptstadt zu holen, ohne dafür groß etwas tun zu müssen.
Denn mit seiner Forderung, mittelfristige Korrekturen am Bonn-Berlin-Gesetz vorzunehmen und eine Trennung der Ministerien für Entwicklungshilfe, Verteidigung und Außenpolitik auf Dauer nicht für sinnvoll und möglich zu erachten, trifft Diepgen die schlechte Stimmung der ohnehin im Selbstbewußtsein angeschlagenen Beamten und Angestellten der betroffenen Ministerien. Schlicht, sie fühlen sich wie Beamte zweiter Klasse, nicht so richtig wichtig und nicht so richtig ernst genommen.
Auf Dauer wird man sicherlich die Verlegung der momentan in Bonn verbleibenden Ministerien – die Leitungsstäbe ziehen ja ohnehin jetzt schon nach Berlin – nicht verhindern können und wollen. Denn tatsächlich ist der tägliche Arbeitsaufwand bei geteilten Ministerien groß. Es gibt dann nur noch schwerlich eine innerministerielle Politik der kurzen Wege, sprich den Gang über den Flur zum Kollegen, wenn der eine Teil in Bonn hockt und der andere Teil in Berlin regiert.
Dennoch ist die Verlegung der genannten Ministerien nach Berlin in der nächsten Zeit nicht sinnvoll. In Berlin sind die Ministeriumsbauten teilweise noch nicht einmal fertiggestellt, in Bonn würden weitere Büroflächen leerstehen. Und in Bonn würde sich die Anzahl der Arbeitslosen vergrößern, denn neue Jobs für die Heerscharen von Sekretärinnen werden am Rhein in Zukunft eher rar gesäht sein. Denn obwohl Bonn seit sieben Jahren vom Umzugsbeschluß weiß, macht die Stadt am Rhein ihrem Ruf als verschlafene Stadt erneut Ehre. Selbst die Verwendung des neuen prestigeträchtigen Plenarsaals ist noch nicht geklärt. Bonn hat sich zu lange von den Zusagen der Politik täuschen lassen, man werde schon viele große und bedeutende Organisationen an der Rhein holen. Leerstand und Arbeitslosigkeit müssen allerdings ausschließlich wir bezahlen, die Steuerzahler. Annette Rollmann
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