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■ Altautoverordnung: Kanzler Schröder zielsicher auf Crash-KursDie Kunst des Nichthandelns

Kanzler Gerhard Schröder hat das Ansehen der deutschen Umweltpolitik auf EU-Ebene zu Schrott gefahren. Selbst wenn die europäische Altautoverordnung diese Woche verabschiedet wird, geschieht das trotz und nicht wegen des deutschen Ratspräsidentschaft. Gestern beschloß das Bundeskabinett, daß Umweltminister Trittin sich enthalten muß. Damit wird die Richtlinie aller Voraussicht nach durchgehen. Doch selbst wenn Deutschland dagegen stimmen würde, wäre das Papier nicht mehr zu verhindern; es reicht nämlich eine qualifizierte Mehrheit.

Die Autolobby hat nach Kräften versucht, die deutsche Regelung auf EU-Ebene zu übertragen. Die hatten sie unter der alten Bundesregierung überwiegend selbst formuliert, während die jetzt zur Abstimmung vorliegende EU-Verordnung wesentlich strenger ist. Ein Brief von VW-Chef Piäch an Kanzler Schröder im März erwies sich zunächst als voller Erfolg: Schröder verpflichtete seinen Umweltminister, das Thema von der Tagesordnung im Ministerrat zu nehmen. Dessen Kollegen waren verärgert über das Verhalten der deutschen Ratspräsidentschaft und beschlossen die Wiedervorlage im Juni.

Doch Schröder wollte nicht lockerlassen: Im vertraulichen Gespräch versuchte er, mehrerer seiner Amtskollegen davon zu überzeugen, daß diesmal sie ihren Umweltminister anweisen, die Sache auf die lange Bank zu schieben. Ob er sich durchsetzen konnte, wird sich am Donnerstag oder Freitag zeigen. Doch fest steht schon heute, daß Schröder mit seiner Taktik den Ruf der rot-grünen Koalition in puncto EU-Umweltpolitik verspielt hat.

Dabei ist die Altautoverordnung nur ein Beispiel für seine willfährige Politik gegenüber einer Altindustrie, die ökologischen Fortschritt auch auf EU-Ebene verhindert. Möglicherweise noch fataler ist Schröders Verzicht darauf, die EU-Energiebesteuerung auf dem Kölner Gipfel zum Thema zu machen. Dabei war die Chance für eine EU-weite Harmonisierung noch nie so günstig gewesen. Nur Spanien stellt sich noch quer. Und Insider berichten, daß auch die Regierung in Madrid bei einem entsprechenden Anruf aus Bonn weich geworden wären. Doch anstatt dieses zentrale Thema anzuschneiden, das auch für die Weiterentwicklung der deutschen Ökosteuer eine Voraussetzung gewesen wäre, parlierte Schröder lieber über Duty free. Nichthandeln ist auch Handeln. Diese Kunst beherrschte schon Helmut Kohl. Doch der schaffte es immerhin, dabei seine EU-Kollegen weniger zu brüskieren. Annette Jensen

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