Kommentar: Ein Bankrott der Moral
■ Schwangerschaftsberatung: Bischöfe gehorchen Rom
Pilatus gilt als der große moralische Versager. Der römische Statthalter in Jerusalem verurteilte Jesus von Nazareth zum Tode, obwohl er ihn für unschuldig hielt. Er gab dem Druck von außen nach – und wusch seine Hände in Unschuld.
Ganz ähnlich verhält sich die katholische Kirche bei der Frage der Schwangerschaftskonfliktberatung. Auf Druck des Vatikans haben die deutschen Bischöfe fast einmütig die Quadratur des Kreises beschlossen: Sie wollen in der Beratung bleiben, auch weiterhin Scheine ausstellen, nur soll auf diesen vermerkt werden, daß sie nicht als Rechtfertigung der Abtreibung zu nutzen sind. Der Hintergedanke: Was Frauen, Ärzte und Gerichte dann mit diesem Schein machen, ist nicht mehr Sache der Kirche. Der Staat könnte ihn ja weiterhin als gesetzlich geforderten Nachweis über eine Beratung nutzen und als Erlaubnis für eine Abtreibung anerkennen. Den Schwarzen Peter haben damit nun die Frauen und Ärzte. Die Kirche ist fein raus.
Das allerdings nur oberflächlich. Denn das Dilemma zwischen dem Lebensrecht von Ungeborenen und der Not von schwangeren Frauen ohne Zukunftsperspektive läßt sich nicht wegdialektisieren. Frauen, die über eine Abtreibung nachdenken, werden sich kaum noch an kirchliche Stellen wenden. Weniger Abtreibungen, mehr Schutz für Ungeborene, wie es die Kirche fordert, wird es deshalb nicht geben. Doch darum ging es auch kaum noch, vielmehr um innerkirchliche Machtspiele. Den Vatikan interessierten vor allem die eigenen sauberen Hände und das eigene ruhige Gewissen. Nicht von ungefähr ist im Brief des Papstes von den betroffenen Frauen und ihren Nöten mit keinem Wort die Rede.
Der faktische Ausstieg aus der Beratung von Frauen in Not wird die Kirchen mehr kosten als die Steuergelder, die der Staat ihnen nun möglicherweise vorenthält. Denn hier versagt die selbsternannte Weltmacht in Sachen Moral bei einer hochmoralischen Frage. Schlimmer noch: Sie verweigert sich der Erkenntnis, daß es im Leben Situationen gibt, in denen alle Beteiligten auf die eine oder andere Art schuldig werden. Für die katholische Kirche ist das ein weiterer Abschied aus der realen Lebenswelt. Deshalb ist die von Rom erzwungene Entscheidung der Bischöfe ein taktischer Sieg, aber eine moralische Bankrotterklärung. Bernhard Pötter
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