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Erotische Kultur oder neues Dogma?

■ Ein kurzer Überblick über die Butch-Femme-Debatte

Eine Diskussion gährt in der lesbischen Szene, die Außenstehende zumeist nur schwer durchschauen: Es geht um die Rollenteilung zwischen Butch und Femme.

Während der Begriff der ,Butch' eine männliche, makerhafte Inszenierung lesbischer Lebensweise bezeichnet, benennt ,Femme' das weiblichere Gegenstück. Dabei geht es nicht um fixierte Rollen, sondern um die Inszenierung einer erotischen Differenz gegenüber anderen Frau. Die Diskussion dazu bewegt sich zwischen zwei entgegengesetzten Auffassungen. Auf der einen Seite die Warnenden: Die Butch-Femme-Rollen sind politisch gefährlich, da sie lediglich die heterosexuellen Rollenordnung abbilden. Dagegen wird gehalten, daß es gerade die Butch-Femme-Paare sind, die die sexuelle Differenz öffentlich sichtbar machen und sich zu einer erotischen Kultur bekennen, jenseits der Hetero-Welt.

Außen vor bleiben – wie so oft – die Zwischentöne. Lesben, die ihr Lesbisch-Sein und -Lieben differenziert gestalten und ihre verschiedenen männlichen und weiblichen Anteile akzeptieren. Ignoriert werden auf beiden Seiten die Kreativität und die Stärke, die alle Lesben entwickelt haben, um zu überleben bzw. sich von der Zwangsheterosexualität zu befreien und sich eine Gegenkultur mit Freiräumen zu schaffen.

Die Diskussion gestaltet sich nur sehr zögerlich; wie bei vielen lesbisch-feministischen Themen bewegt sie sich von den USA in die deutschen Großstädte und landet dann verspätet in der Provinz. In Oldenburg und Bremen scheint die Auseinandersetzung noch in den Kinderschuhen zu stecken. Es tummeln sich zwar zahlreiche Butches, doch die Femmes sind kaum auszumachen. Als Femme aufzutreten und zuviel Weiblichkeit auszustrahlen, ist immer noch verpönt; es gilt als Zeichen, keine „echte“ Lesbe zu sein und noch den Hetero-Normen zu entsprechen. Das Dogma der Lesbenbewegung der 70er Jahre – Wie muß eine Lesbe aussehen, um politisch korrekt zu sein? – wird nicht aufgelöst, sondern nur durch ein neues ersetzt: Heute muß sie obercool sein mit der obligatorischen Lederjacke.

„Auch die jüngsten Butch/Femmes-Variationen entspringen nicht einer lang gewachsenen Mischung aus gelebtem Begehren und gesellschaftlichen Konstellationen. Sie zeugen vielmehr von der Entwicklung einer Lesbenszene, die sich selbst und ihre moralische Engstirnigkeit mehr und mehr in Frage stellt und gegen eine ältere Generation durchaus mit Recht rebelliert“, beschreibt Silke Buttgereit die Diskussion in dem Buch „Butch Femme – eine erotische Kultur“.

Doch wird da nicht wieder ein neues Dogma geschaffen, wenn „die Lesbe“ in ein starres Rollenkonzept Butch oder Femme gepreßt wird? Es ist einleuchtend, daß das Liebesleben einfacher ist, d.h. durchschaubarer, wenn klare Rollen vorgegeben, die Machtverhältnisse eindeutig abgesteckt sind. Und es ist auch nicht so spannend, im lesbischen Grundsatz von anno dazumal zu verhaften: Wir sind alle gleich, jede hat die gleichen Fähigkeiten und Bedürfnisse, nur nicht zu männlich oder gar zu weiblich.

Doch muß es denn stets ins Extreme abgleiten? Es artet zwar in Arbeit aus, sich permanent zuhinterfragen: Wie will ich mich darstellen? Was bereitet mir – nicht nur in sexueller Hinsich t– Lust? Doch das Leben bietet mehr als Sex. Die Bewegung besteht darauf, daß sich das lesbische Leben nicht vorrangig über die Praktiken in der Sexualität definiert, sondern durch alternative Lebensentwürfe und politische Standpunkte beschreibt, gerade in Abgrenzung zum Heterosexuellen. Der Widerstand der Butch-Femme-Kultur manifestiert sich aber gerade im Sichtbar-Machen ihrer sexuellen Identität.

Eine differenzierte Diskussion ist gefragt, die sich, weg von den engen Klassifizierungen, mit den vielen möglichen Geschlechtsidentitäten auseinandersetzt.

Doch ohne ein lustvolles Ausprobieren, was Frau-Sein bedeutet bzw. bedeuten kann – selbstverständlich verbunden mit einem analytischen Blick auf die Beziehungsstrukturen und ihren Hetero-Wurzeln – bleibt alles Theorie. Hilli Sorg

(Stark gekürzte Fassung einer längeren Abhandlung zum Thema. Zur Identität der Autorin: Sie hat lange Locken, trägt gerne Röcke, bevorzugt bequeme Gesundheitslatschen, aber keine Reizunterwäsche, haßt Schminke und liebt Frauen.)

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