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Staatsanwaltschaft im Kreuzfeuer der Kritik

■  Datenschützer, Grüne und Humanistische Union kritisieren, daß die Hintergründe einer in einem Fernseher im Gefängnis Tegel installierten Kamera noch nicht geklärt sind. Künast: „Es entwickelt sich ein Schweigekartell“

Knapp zwei Wochen nachdem in einem Fernsehgerät in einem Gemeinschaftsraum der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel eine versteckte Kamera gefunden wurde, wird Kritik an der Staatsanwaltschaft laut, weil die Hintergründe und Folgen nach wie vor ungeklärt sind.

Die stellvertretende Datenschutzbeauftragte, Claudia Schmid, beklagt, daß sie trotz der Bitte um Stellungnahme bisher „seltsamerweise keine Antwort“ erhalten habe. Sie wollte wissen, wer, wann und wie und warum gefilmt hat. Die Begründung der Staatsanwaltschaft für die bisherige Nichterteilung der angeforderten Auskünfte findet Schmidt „kurios“. Die lautet: Man könne den Fall nicht finden. Der Datenschutzbeauftragte müsse erst Namen, Geburtsdatum und Aktenzeichen nennen. Das sei bei Verfahren, die bereits durch Anfragen von Landtagsabgeordneten oder durch die Presse öffentlich gemacht wurden, „äußerst unüblich“, so Schmid. Justizsprecherin Michaela Blume jedoch betont: „Da ist alles mit rechten Dingen zugegangen.“ Des weiteren verweist sie auf Paragraph 100, Absatz C der Strafprozeßordnung, nach dem beim Verdacht einer Straftat Aufzeichnungen gemacht werden dürfen.

Insassen der Teilanstalt II hatten am 16. Juni festgestellt, daß in einem Fernsehgerät, das ihnen im Austausch gegen einen defekten Apparat zur Verfügung gestellt wurde, eine stecknadelgroße Kamera installiert war. Als ein Insasse mit der Fernbedienung die Sender einstellen wollte, sah er sich plötzlich selbst auf der Mattscheibe. Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) hatte dies in einer Fragestunde des Abgeordnetenhauses bestätigt. „Die Anlage war wohl nicht sehr fachgerecht installiert“, räumte er ein. Die Kamera war im Zuge eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft angebracht worden wegen des Verdachts des Drogenhandels.

Auch die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, kritisiert die Staatsanwaltschaft. „Es entwickelt sich so langsam ein Schweigekartell.“ Sie beklagt, daß sich grundsätzlich die Tendenz erhöhe, bei politischen Diskussion den Datenschutz außen vor zu lassen. Justizsenator Körting habe sich auf Anfrage im Rechtsausschuß dafür ausgesprochen, den Film mit den gefilmten Häftlingen zu vernichten. Wo der sei und wer ihn habe, wisse er allerdings nicht, berichtete Künast von der Ausschußssitzung. Deshalb müsse man die Frage stellen, was mit dem Filmmaterial passiert wäre, wenn die Kamera nicht entdeckt worden wäre.

Der Vorsitzende der Humanistischen Union, Roland Otte, stößt in das gleiche Horn. „Das Verhalten der Staatsanwaltschaft ist unsensibel.“ Otte erinnerte daran, daß die CDU erst vor drei Wochen den Vorstoß unternommen hatte, öffentliche Plätze durch Video überwachen zu lassen. Otte: „Da kann man ja gleich die Stasi-Kameras auf den Berliner Gebäuden wieder einschalten.“ Annette Rollmann

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