: Stimmung gegen Präsident Milosevic
■ 35.000 Hooligans: „Slobo, hau ab!“
Berlin/Belgrad (taz) – Zehntausende Fußballfans haben am Samstag in der jugoslawischen Hauptstadt in Sprechchören den Rücktritt von Staatspräsident Slobodan Milosevic gefordert. Bei einem Pokalspiel zwischen den beiden größten Vereinen Belgrads, „Crvena Zvezda“ (Roter Stern) und „Partizan“, im Zvevda-Stadion skandierten rund 35.000 meist junge Serben Parolen wie „Slobo – odlazi“ (Slobo – hau ab!) und „Sobo pizdo – Kosova si izdao“ (Slobo Arschloch – Du hast das Kosovo verraten). Die Polizei schritt nicht ein.
Nach Angaben aus Belgrad gingen die Sprechchöre vom Block der „Delije“ (Faulenzer) genannten Fans von „Roter Stern“ aus. Die „Delije“ stehen in dem Ruf, zwar serbisch-nationalistisch, aber tendenziell gegen das Milosevic-Regime zu sein. Als bemerkenswert wurde eingestuft, daß diesmal auch die Partizan-Anhänger vom Fanclub „Grobari“ (Primitivlinge) in die Schmähgesänge eingestimmt hätten. Der Vorsitzende von Partizan ist der mutmaßliche Kriegsverbrecher Zeljko Raznjatovic „Arkan“ – bisher einer der treuesten Verbündeten des jugoslawischen Präsidenten. Beide Fanclubs hatten Milosevic früher unter anderem durch Schlägereien mit kroatischen Fans unterstützt.
Daß die „Grobari“ nun gemeinsam mit den „Delije“ gegen Slobo skandieren, wird in Belgrad als Zeichen dafür gesehen, daß es mit der Popularität des Präsidenten bei seinem Stammpublikum zu Ende geht. In den letzten Tagen war es an verschiedenen Orten Serbiens zu Protesten gekommen. Am letzten Wochenende hatten einige hundert aus dem Kosovo geflüchtete Kosovo-Serben gegen den Präsidenten protestiert.
In der südserbischen Provinz selbst haben deutsche KFOR-Soldaten einen mutmaßlichen Folterkeller der albanischen UÇK entdeckt. Wie der Kommandeur des deutschen Kontingents in Prizren, General Fritz von Korff, gestern mitteilte, führten drei offenbar mißhandelte Roma die Soldaten zum Keller eines von etwa 130 unbewaffneten UÇK-Kämpfern besetzten Gebäudes. Dort seien Folterwerkzeuge gefunden worden, Festnahmen habe es jedoch nicht gegeben. Die Kosovo-Albaner verdächtigen die Roma in der Provinz, mit den serbischen Sicherheitskräften zusammengearbeitet und leerstehende albanische Wohnungen geplündert zu haben. General Korff gab bekannt, er habe eine nächtliche Ausgangssperre erlassen. In den Städten Pristina, Zegra, Kosovoka Mitrovica und Belo Polje plünderten Kosovo-Albaner am Wochenende serbische Häuser und Wohnungen und zündeten sie an. rr
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