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„Nein, meine Knie wackeln nicht“

■ Wie die DFB-Frauen Jones und Wiegmann versuchen, das 3:3 gegen Brasilien und WM-Viertelfinalgegnerin USA zu verkraften

Washington (taz) – Draußen an der Seitenlinie stand DFB-Trainerin Tina Theune-Meyer und machte ein Gesicht, als wisse sie schon, was in dieser vierten Minute der Nachspielzeit passieren würde. Dieses: Den Freistoß für Brasilien durch die Spezialistin Sissi brachten weder Innenverteidigerin Doris Fitschen noch ihre Kollegin Steffi Jones unter Kontrolle. Die eingewechselte Maicon machte kurzen Prozeß. Tor, 3:3, Abpfiff.

Damit ist doch noch Brasilien Gruppensiegerin, und der DFB muß im WM-Viertelfinale gegen die hohe Favoritin USA antreten. Das ist hart, denn mit einer bemerkenswerten Leistungssteigerung nach der Pause hatte das DFB-Team durch Bettina Wiegmann (46. Foulelfmeter) und Jones (58.) einen 1:2-Rückstand in eine 3:2-Führung umgedreht. Reihenweise faßten sich deutsche Spielerinnen an den Kopf, so als müßten sie die Geste ihrer Trainerin nachahmen, die mit vollends versteinerter Miene vor ihrer Bank stand. Kapitänin Martina Voss war sowieso gefrustet, da erstmals eingesetzt und umgehend wieder verletzt. Sie beklagte eine für alle: „Der Fußballgott ist irgendwie nicht auf unserer Seite.“

Inzwischen bevorzugt das Team die nüchterne Analyse. „Wir waren nicht clever genug“, sagt Jones, „das 3:2 über die Runden zu bringen.“ Was die Innenverteidigerin meint: Obwohl eigentlich dominant, ließ sich das DFB-Team zurückdrängen in den letzten zehn Minuten, die dann 14 waren. „Wir müssen das so akzeptieren“, sagt Bettina Wiegmann. Die Spielmacherin hatte in ihrem 100. Länderspiel eine starke Leistung geboten und die des Teams auch so empfunden. „Wenn wir so spielen wie gegen Brasilien nach der Pause“, sagt sie, „bin ich auch gegen die USA zuversichtlich.“ Auch Jones (26), die Abwehrorganisatorin mit US-amerikanischem Vater, beharrt darauf, daß es möglich sei, „die USA zu schlagen“.

Unmöglich ist nichts, und natürlich „kochen die Amerikanerinnen auch nur mit Wasser“ (Jones). Aber mit einem ganz schön heißen. 76.000 werden am Freitag in Washington das US-Team anfeuern. Zeit für wackelnde Knie? „Nein“, sagt Steffi Jones, „mir macht das nichts aus. Und wenn alle gegen uns sind, wird das noch zusätzliche Kräfte freisetzen.“

Und Wiegmann findet, „daß einige Brasilianerinnen sogar noch stärker sind als die amerikanischen Stars – und da haben wir ja gezeigt, daß wir mithalten können“. So versuchen sie, mit diesem einen Fehler klarzukommen, der möglicherweise verhängnisvoll sein kann. Während sich nämlich die vier Vorrundensiegerinnen bereits für Olympia 2000 qualifiziert haben, kommen von den vier Gruppenzweiten nur die drei besten nach Sydney. Falls nicht einmal das für den DFB herausspringt, möchte man das Gesicht von Theune-Meyer nicht sehen.

Rainer Hennies ‚/B‘ DFB: Rottenberg – Hingst, Fitschen, Jones, Minnert – Voss (29. Smisek), Wiegmann, Meinert, P. Wunderlich (46. T. Wunderlich – Prinz, Grings (89. Meyer) Brasilien: Maravilha – Tania – Elane, Suzana (65. Maicon) – Marisa (34. Fanta), Raquel (60. Formiga), Cidinha, Nene – Sissi – Pretinha, Katia Zuschauer: 12.000 (15.), 1:2 Sissi (20.), 2:2 Wiegmann (46./Foulelfmeter), 3:2 Jones (58.), 3:3 Maicon (90.)

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