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Industrie will Müllverordnung schreddern

■ Nach dem Rückzieher von Bundeskanzler Schröder bei den Altautos will die Elektroindustrie vom bereits gefundenen Konsens bei der Elektroschrottverordnung nichts mehr wissen und fordert Nachbesserungen

Berlin (taz) – Eigentlich war die Elektroschrottverordnung schon auf einem guten Weg. In dreimonatigen Verhandlungen hatten die Bundesländer Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium die Industrie von dem Entwurf überzeugt und Bedenken der Unternehmen mit aufgenommen. Schließlich nickte der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) den Entwurf ab, man könne damit leben.

Doch gestern stellte die Industrie gegenüber der taz die Einigung im zentralen Punkt wieder in Frage. „Wir wollen, daß der letzte Besitzer zum Zeitpunkt der Entsorgung zahlt“, erklärte ZVEI-Sprecher Gotthard Graß. Die neue Elektroschrottverordnung sieht dagegen vor, daß die Industrie alte Elektrogeräte, egal ob Staubsauger, Walkman oder Kühlschrank, kostenlos zurücknehmen muß. Doch wie beim Altautos wünschen sich Teile der Industrie nun, daß der Verbraucher am Ende die Entsorgung der Großgeräte wie Kühlschränke oder Fernseher selbst bezahlt. „Wir stellen das Prinzip noch mal in Frage“, so Graß lapidar.

Der Umschwung kommt nicht überraschend. Bereits bevor der Umweltausschuß des Bundesrates in Bonn vergangenen Donnerstag der Elektroschrottverordnung seine Zustimmung gab, schaffte Kanzler Gerhard Schröder in der Nacht zuvor einen Präzedenzfall, indem er die Altautoverordnung auf Drängen von VW kippen ließ. Als Niedersachsens Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD) am Donnerstag stolz die neue Elektroschrottverordnung vorstellte und von der Zustimmung der Industrie berichtete, war man dort offenbar schon auf neue Gedanken verfallen.

Umweltschützer wundert das nicht: „Schröders Eingriff gegen die Altautoverordnung motiviert nun die Teile der Industrie, die gegen den Entwurf waren, das Faß noch mal aufzumachen“, sagt etwa Thomas Lenius, Abfallexperte des BUND. „Aber man kann die Industrie nur davor warnen, das wird ihnen die Glaubwürdigkeit kosten.“ Im Umweltbundesamt fürchten Mitarbeiter inzwischen, der Kanzler könnte sich ähnlich wie schon bei der Altautoverordnung von der Industrie erweichen lassen. „Natürlich beobachten wir auch die Altautoverordnung“, sagte dazu der ZVEI-Sprecher, „aber wir brauchen da keine Motivation.“

Der Entwurf der Elektroschrottverordnung bezieht sich auf Computer, Unterhaltungselektronik wie Kofferradios oder Fernseher, Elektrogroßgeräte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen und auf Kleingeräte wie Wecker oder Rasierer. Die Kommunen sollen den Plänen zufolge die Altgeräte einsammeln und nach den vier Kategorien vorsortieren. Umstritten ist dabei noch, ob die Kommunen oder die Industrie das bezahlen sollen. Viele Gemeinden haben bereits heute Sammelstellen eingerichtet oder holen die Geräte mit dem Sperrmüll ab, manche experimentieren mit einer Extramülltonne. Dann sollen ähnlich dem Dualen System die Hersteller über Gemeinschaftsunternehmen die Abholung und Verwertung der Altgeräte organisieren. Die Kosten würden wie beim Grünen Punkt auf den Kaufpreis aufgeschlagen.

Weil Elektrogeräte im Schnitt zehn bis fünfzehn Jahre halten, sollen auch die bereits vor der Verordnung verkauften Produkte durch einen Generationenvertrag einbezogen werden. Demnach muß jeder Hersteller soviel alte Geräte zurücknehmen, wie er neue in Deutschland verkauft. Das Ziel der Verordnung: Wertvolle Rohstoffe im Elektroschrott werden wiederverwendet, und die Schadstoffe, wie Flammschutzmittel oder Schwermetalle, wandern nicht mehr in den Hausmüll. Nur wenn der Verbraucher nicht erst bei der Beseitigung zahlen muß, so das Kalkül der Umweltpolitiker, wird der Elektroschrott auch getrennt gesammelt. Außerdem sollen die Unternehmen motiviert werden, ihre Geräte so zu bauen, daß sie leichter wiederverwertbar sind.

Doch die ZVEI argumentiert, daß in der Unterhaltungselektronik der Entsorgungspreis im Vergleich zu den Gewinnmargen groß sei, zum Beispiel 50 Mark für einen Fernseher. Dies berge das Risiko, daß die Kunden auf andere Vertriebswege wie das Internet auswichen. Matthias Urbach

Kommentar Seite 12

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