: Hertha greift den Kicker-Dax an
■ Was bei Bayern München lange währt, wird auf dem Fußball-Flaggschiff von der Spree nun gut: Hertha BSC ist fit für die Börse
Bei Hertha BSC spricht man nicht gerne übers Geld. Versuchten windige Funktionäre in den skandalträchtigen 60ern schon mal, Einnahmen am Fiskus vorbeizuschleusen, indem sie Tickets für den Schwarzmarkt in Särgen verstauten, so blockt heute Pressesprecher Hans-Georg Felder unverfängliche Fragen nach der bevorstehenden Umwandlung des Klubs in eine Kapitalgesellschaft vorsichtig ab. „Wir wollen nicht in einem schiefen Licht erscheinen.“
Freilich unnötige Bedenken, denn die juristische Umwandlung ist seit Oktober 1998 völlig legal. Damals räumte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den 36 Bundesligisten das Recht ein, den angestaubten Status eines „eingetragenen Vereins“ (e. V.) abzulegen. Den (wirtschaftlichen) Anforderungen der Fußballneuzeit werden piefige Vereinsmeiereien längst nicht mehr gerecht.
Deshalb beschloß nun auch der Hertha-Aufsichtsrat, seine Profiabteilung in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) umzuwandeln. Dann könnten die Blau-Weißen – die Zustimmung der Mitgliederversammlung im November vorausgesetzt – an die Börse gehen. Der gern müde belächelte Lokalrivale Tennis Borussia spielt bereits seit März in der 2. Liga an der Speerspitze der Fußballrevolution, nachdem er mit seiner neugegründeten KGaA – als erster DFB-Verein überhaupt – die Grundlagen für ein going public schuf. „Ich weiß nicht, warum wir denen den Vortritt gelassen haben“, wundert sich Hertha-Sprecher Felder heute.
Jetzt duldet der Konkurrenzkampf im „Haifischbecken Bundesliga“ aber keinen weiteren Aufschub der Modernisierung. „Wir sind längst ein mittelständisches Unternehmen“, erklärt der kaufmännische Leiter Ingo Schiller. In der letzten Saison erwirtschaftete Hertha 42 Millionen Mark Umsatz. In der kommenden Spielzeit 1999/2000 rechnet Schiller mit einer deutlichen Steigerung, denn erstmals seit 21 Jahren qualifizierte sich die Hertha wieder für einen europäischen Wettbewerb, der allein durch die Vermarktung von TV-Lizenzen Millionen in die Kasse schwemmen dürfte.
Entsprechend hoch fielen die Investitionen für den langersehnten Sprung auf die europäische Bühne aus. Für über 20 Millionen Mark Ablösesumme durfte Trainer Jürgen Röber Nationalspieler Marko Rehmer (Rostock), den Iraner Ali Daei (Bayern München) und das Ausnahmetalent Sebastian Deisler (Gladbach) verpflichten. Vielleicht zum letzten Mal griff dafür Marketingpartner Ufa tief in die eigene Tasche, in Zukunft soll sich aber das „Unternehmen Hertha“ nicht nur selber tragen, sondern auch Gewinn für die Bertelsmann-Tochter abwerfen, die seit Vertragsbeginn 1994 mutmaßlich rund 50 Millionen Mark zugebuttert hat. Mit einer Kapitalgesellschaft, weiß Herthas Geldmanager Schiller, ließe sich noch besser Kapital beschaffen.
Anders als bei Tennis Borussia, wo sich der Hauptsponsor rund ein Drittel der KG-Aktien sicherte, ist laut Schiller „bei Hertha noch nicht geplant, Außenstehende Anteile erwerben zu lassen“. Insider sehen darin einen Versuch, einen allzu gierigen Zugriff der „Ufa“ auf die enormen anfallenden Summen abzuwehren. „Der Unternehmenswert eines Klubs liegt etwa bei dem Zwei- bis Dreifachen seines Umsatzes“, prognostiziert Rainer Mastenbroek von der DG Bank in Frankfurt. „Richtig viel Geld“, so der Fußballanalyst, sei jedoch erst an der Börse zu holen.
Dem Spreeflaggschiff sagt Mastenbroek prallgefüllte Segel voraus. „Hertha ist populär, besitzt ein großes Einzugsgebiet und spielt in der 1. Liga. Bei einem Börsengang könnten auf einen Schlag 50 Millionen Mark frisches Kapital zufließen.“ Hertha könnt's gebrauchen. Aber erst „mittelfristig“, so Schiller, sei mit einem Angriff auf den Kicker-Dax zu rechnen. Jürgen Schulz
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