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Indien tigert Richtung Sieg Pakistan rudert zurück

Nach Indiens Eroberung des wichtigen Tigerberges in Kaschmir verspricht Pakistan „konkrete Schritte“  ■   Aus Delhi Bernard Imhasly

Nach militärischen Erfolgen Indiens in Kaschmir ist Pakistan offenbar auf dem diplomatischen Rückzug. Die kurzfristig arrangierten Gespräche des pakistanischen Premierministers Nawaz Sharif in Washington haben in eine gemeinsame Erklärung gemündet, in der „konkrete Schritte“ zur Wiederherstellung der indisch-pakistanischen Kontroll-Linie in Aussicht gestellt wurden. Unmittelbar darauf müsse ein Waffenstillstand hergestellt und der indisch-pakistanische Dialog im Rahmen der Lahore-Erklärung wiederaufgenommen werden.

Der Text sagt nicht, worin die konkreten Schritte bestehen, doch erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses nach dem dreistündigen Gespräch zwischen Sharif und US-Präsident Bill Clinton, damit sei ein Rückzug der Muslim-Rebellen gemeint. Der Besuch fand auf Ersuchen Pakistans statt, das dringend einen Ausweg aus dem Abenteuer sucht, in das es sich mit dem Einschleusen von bewaffneten Kämpfern nach Kaschmir begeben hat. Das Kommuniqué zeigt noch einen weiteren Punktsieg für Indien. Neben der Bereitschaft zur Wiederherstellung der alten Grenze sind sich die USA und Pakistan auch einig, daß der Konflikt bilateral gelöst werden muß. Bisher strebte die pakistanische Regierung in Islamabad eine internationale Vermittlung an, was Indien prinzipiell zurückweist. Eine telefonische Einladung Clintons an den indischen Premierminister A. B.Vajpayee hatte dieser abgelehnt, weil dies den USA eine Vermittlerrolle gegeben hätte. Über Sharifs USA-Reise verlor Indien keinen Schlaf, weil sie in erster Linie dazu diente, ihn aus seiner immer mißlicheren Lage zu befreien.

Die war am Wochenende noch ungemütlicher geworden, als Indien eine weitere wichtige Stellung in der Kargil-Region zurückerobern konnte. Die Einnahme des 4.660 Meter hohen Tigerbergs ist der erste entscheidende Durchbruch der indischen Armee in ihrer Kampagne gegen die aus Pakistan eingeschleusten Verbände. Der Tigerberg ist das dominierende Bergmassiv im Dras-Tal und beherrscht die Straße, die von Srinagar nach Leh in Ladakh führt.

Der nächtliche Ansturm bei Regen und Nebel gelang, nachdem die indischen Gebirgstruppen zuvor andere, zum Teil höhergelegene Bergspitzen eingenommen hatten. Von dort aus lenkten die Inder das pakistanische Abwehrfeuer von den kletternden Angreifern auf sich ab und erleichterten diesen die Aushebung des „Tigernests“. Damit ist die vitale indische Versorgungslinie für die Verteidigung des Karakorum-Gebiets aus der direkten Schußlinie gekommen. Zwar bleibt die Straße weiterhin im Visier pakistanischer Artillerie von jenseits der Kontroll-Linie, aber die zuvor von der Bergspitze durchgegebenen Schußkorrekturen fallen nun weg und mindern die Zielgenauigkeit.

Die Aufmerksamkeit der Armee richtet sich nun weiter nach Osten, nach Kaksar, von wo aus die Straße wieder in den Schußbereich der Pakistaner kommt, und vor allem nach Batalik 60 Kilometer nordöstlich von Kargil. Batalik liegt in einer Region, wo der Indus-Strom die indisch-pakistanische Kontroll-Linie überquert. Vom knapp 5.000 Meter hohen Jubar-Berg, den der Gegner ebenfalls besetzt hat, läßt sich der Stromübergang und damit die Fähigkeit der Inder kontrollieren, ihre Truppen über den Fluß aus dem Kargil-Sektor in die Gebirgstäler von Nubra und Shyok zu verschieben und umgekehrt. Das Nubra-Tal ist von strategischer Bedeutung, da es das Aufmarschgebiet in die Region des Siachen-Gletschers bildet, wo beide Länder seit 1984 einen Krieg um die nicht festgelegte Grenzlinie bis zur chinesischen Grenze führen.

Die Einnahme des Tigerbergs und zahlreicher weiterer Stellungen kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die indische Seite über einen freiwilligen Rückzug der Angreifer froh sein müßte. Denn sie ist noch weit davon entfernt, die fremden Truppen vertrieben zu haben. Dies hat mit der Topographie der Region zu tun. Die von Südwest nach Nordost verlaufende Grenzlinie liegt auf einer Serie von Gebirgszacken, von denen die meisten gegen Pakistan hin eine Reihe von Sporen ausbilden. Sie erleichtern diesem die Versorgung der vorgeschobenen Posten; indischerseits dagegen fällt das Gelände steil ab. Diesen Nachteil kann Indien nur durch einen überdurchschnittlich hohen Einsatz an Menschen und Material überwinden.

Der Druck der indischen Armee wächst daher, von den Politikern grünes Licht für Kommandoaktionen direkt in pakistanisches Gebiet zu erhalten, um die feindlichen Versorgungszentren zu zerstören. Bisher hat die Regierung nicht nachgegeben, weil sie fürchtet, damit die weltweite Unterstützung für ihre Aktion aufs Spiel zu setzen. Kommentar Seite 12

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