: Die Bundeswehr ist sauer auf Eichel und Schröder
■ Der harte Sparkurs des Finanzministers und dessen Unterstützung durch den Kanzler stoßen bei Offizieren und Soldaten auf Ablehnung. Ihr Urteil: Die Armee wird kaputtgespart
Bonn (dpa/taz) – „Wenn die Bundeswehr die enormen Einsparungen, die sich abzeichnen, hinnehmen muß, droht sie den Bach runterzugehen.“ Das ist die dramatische Reaktion von Offizieren auf den immer schärfer werdenden Streit zwischen Verteidigungsminister Rudolf Scharping und dem Finanzchef Hans Eichel (beide SPD). Dem harten Sparminister werfen die Offiziere vor, alle den Streitkräften gemachten Zusagen zu brechen. Besonders erregt ist die Truppe darüber, daß sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf die Seite Eichels geschlagen hat und Scharping damit im Regen stehenläßt. „Sie können sich die Wut der Männer kaum vorstellen“, so ein General hinter vorgehaltener Hand.
Schröder hatte nach dem Regierungswechsel klar gesagt, die Bundeswehr, die bereits in den letzten Jahren große finanzielle Einbußen und strukturelle Veränderungen ertragen mußte, stoße mit dem Helm an die Decke. Scharping wird nach Einschätzung von Offizieren „jetzt schwer aufpassen müssen, daß er nicht sein positives Image verliert“. Im Kabinett kann er sich offensichtlich nicht durchsetzen.
Der Streit könnte in seiner Brisanz nicht höher angesiedelt sein. Es geht nämlich ans „Eingemachte“. Die Bundeswehr braucht das ursprünglich für sie geplante Budget, um bereits viele sehr veraltete Waffen und Einrichtungen zu modernisieren. Schon im laufenden Haushalt mußte sie auf eine Milliarde Mark verzichten. Nach Eichels Vorstellungen soll der Haushalt 2000 um 3,5 auf 45,3 Milliarden Mark gekürzt werden.
Scharping wird nicht müde zu bekräftigen, er habe von Kabinett und Kanzler klare Zusagen, daß größere Rüstungsbeschaffungen nicht ganz aus seinem Etat, sondern durch Zuschüsse aus dem Gesamthaushalt finanziert werden sollen. Eichels Standpunkt: Nur der Balkan-Einsatz wird aus dem Gesamthaushalt bezahlt – mehr nicht. Wenn es bei dieser Haltung bleiben sollte, sagen Militärexperten „das Schlimmste“ voraus. Scharping hält zwar nach wie vor an der Wehrpflicht fest, aber von der Opposition wird gefragt, wie er die angesichts der Kürzungen halten will. Es wird offen die Sorge ausgesprochen, daß Scharping sein Heil in „Kürzungen und Kürzungen“ suchen wird. Die Bundeswehr könnte die 335.000 Mann nicht mehr halten und schrumpfe auf 300.000 oder sogar weniger. Besonders besorgt sind die Soldaten darüber, daß wieder über die Schließung weiterer Standorte nachgedacht wird. „Die Bundeswehr“, so ein Offizier, „wird systematisch kaputtgespart.“
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