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Roma werden gejagt und gehaßt

■  Die Serben im Kosovo nutzten sie aus, die Albaner werfen ihnen Kollaboration bei der Vertreibung vor: Nach dem Ende des Krieges sind sie zwischen alle Fronten geraten

Rund um eine Schule in Kosovo Polje kampieren 5.000 Roma, die aus dem Kosovo fliehen wollten, von den serbischen Behörden aber nicht über die Grenze gelassen wurden. Viele sind krank, es gibt kaum Wasser, Hilfsorganisationen wie Médecins du Monde versuchen, dem stetig wachsenden Zustrom Herr zu werden.

Doch für die Roma gibt es kein Zurück: „Die Albaner jagen uns aus unseren Häusern, sie bestehlen uns und schlagen uns. 'Haut ab nach Belgrad!‘ rufen sie“, klagt Sameja Jasari, der Sprecher derRoma. Der 42jährige war früher Bergarbeiter in einer Kohlegrube. Seine Familie besteht aus neun Kindern, ein zehntes ist unterwegs.„Wir sitzen in der Falle, für uns gibt es keinen Ausweg.“

Die Roma gehören eindeutig zu den Verlierern des Kosovo-Krieges: Ihre Stadtviertel wurden erst von serbischen Soldaten niedergebrannt, heute werden ihre Häuser von Albanern in Brand gesteckt. Die UÇK mache Jagd auf sie, beklagen sie sich. Hunderte flohen in Fischerbooten nach Italien.

Die Kosovo-Albaner werfen ihnen vor, sich den Serben angedient zu haben und während des Bürgerkrieges im Auftrag der serbischen Machthaber die Häuser der Kosovo-Albaner in Brand gesteckt und ausgeplündert zu haben.

Ganz abstreiten wollen die Roma dies nicht. „Ja, ich weiß, einige von uns haben mit den Serben kollaboriert“, räumt Jasari ein. „Aber wer daran beteiligt war, ist zusammen mit der serbischen Armee abgezogen. Wer bis jetzt geblieben ist, ist aber unschuldig.“

Jovan Nikolic, Vizepräsident der Weltvereinigung der Roma, bedauert manches, was geschehen ist. „Die Chefs der Roma im Kosovo haben ihren Leuten einen schlechten Dienst erwiesen“, sagt er. Viele Roma seien aber zur Mitarbeit in der serbischen Polizei oder in der jugoslawischen Armee gezwungen worden.

Auch Mary Robinson, die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, zeigte sich vergangenen Woche bei einem Besuch im Kosovo alarmiert über Berichte von Übergriffen auf Serben und Roma.

Der von seinen Anhängern als Roma-König verehrte makedonische Parlamentsabgeordnete Amdi Bajram beschuldigte vor zwei Wochen in Skopje die Kosovo-Albaner, sich nach der Rückkehr in ihre Heimat ebenso verhalten zu haben, wie sie es den Serben zum Vorwurf machten. „Die Albaner wollen ein ethnisch reines Kosovo“, sagte Bajram.

Marko Nikolic vom Verband der Roma in Jugoslawien schätzt die Zahl der Roma in Serbien auf eine halbe Million, im Kosovo auf 100.000 bis 150.000. Bei der letzten Volkszählung 1991 bezeichneten viele sich damals einfach als Serben, Muslime oder Jugoslawen. Die Ethnologin Jasna Milosavljevic aus Belgrad erklärt dies mit einer chamäleonartigen Anpassung vieler Roma an diejenige Volksgruppe, die an ihrem Wohnort die Mehrheit bildet.

Wie in so vielen Ländern haben auch die jugoslawischen Roma meist nur eine geringe Schulbildung und kaum berufliche Qualifikationen. „Einige arbeiten bei der Müllabfuhr, manche als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft, aber es gibt kaum einen Roma, der Bankangestellter ist“, sagt die Ethnologin Milosavljevic. AFP/taz

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