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Der gesamten Welt verpflichtet

GAL und SPD sind sich einig: Holzhafen-Investor soll bauen, trotz des Bürgerbegehrens gegen das Elbrand-Bauvorhaben  ■ Sven-Michael Veit

„Hamburg ist eine Verpflichtung gegenüber der gesamten Weltöffentlichkeit eingegangen – dazu stehen wir.“ Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL) war nicht der einzige Redner in der Bürgerschaft, der sich gestern, unter Verzicht auf das übliche parteipolitische Gezänk, zum Bürgerbegehren gegen die Holzhafen-Bebauung äußerte. Die Debatte über die Frage, ob der Senat das Altonaer Bürgerbegehren gegen die Baupläne des Investors Büll & Liedtke an der Großen Elbstraße aushebele, wurde zu großen Teilen ernsthaft und substantiell geführt. Maier und Werner Dobritz (SPD) betonten die „Verpflichtung“ von Senat und Bürgerschaft, den 1993 mit dem Investor geschlossenen Vertrag zu erfüllen. Mit diesem Vertrag wurden damals die Zugeständnisse kompensiert, die Büll & Liedtke beim Bau des Mercados am Bahnhof Altona gemacht hatte.

Nach Protesten orthodoxer Juden, die weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatten, war der ehemalige jüdische Friedhof auf dem Gelände nicht beseitigt worden. Das Mercado wurde nach einem Schiedsspruch des Jerusalemer Oberrabbiners kleiner gebaut. Büll & Liedtke erhielt als Entschädigung das Recht, am Altonaer Holzhafen Büros und Wohnungen zu bauen. Der entsprechende Vertrag zwischen Stadt und Investor war 1993 von einer Zweidrittel-Mehrheit der Bürgerschaft gebilligt worden.

Vor zwei Wochen hatte der Senat den Bebauungsplan an sich gezogen, nachdem das Bürgerbegehren „Rettet das Elbufer“ mehr als 11.000 Unterschriften gegen den Plan eingereicht hatte, um einen Bürgerentscheid durchzusetzen. Die Initiative fordert einen Park am Elbufer anstelle der Bebauung.

Das könne nicht zugelassen werden, erklärte Martin Schmidt (GAL), der sich in den vergangenen Jahren als einer der glühendsten Verfechter von Volksentscheiden profiliert hat. Es handele sich um „einen Sonderfall“ und sei kein Präjudiz gegen Bürgerbegehren allgemein. Der Investor habe mehrfach Wünsche der Bevölkerung und der Bezirkspolitiker akzeptiert, erinnerte Dobritz: „Jetzt ist das Parlament am Zuge.“ Das Bauvolumen wurde reduziert, dem Büroklotz wurde ein Wohnturm hinzugefügt, der öffentliche Zugang zur Elbe wurde akzeptiert, zählte Maier auf: „Büll & Liedtke hat sich bewegt“, erklärte er, „und hat nun Anspruch auf ein klares Votum der Stadt.“

Auch die Regenbogen-Abgeordnete Heike Sudmann nannte das Bauvorhaben „städtebaulich aktzeptabel“. Es sei aber „schlechter demokratischer Stil“, nun formale Verfahrenstricks zu bemühen. Der Senat solle lieber „auf das Verantwortungsbewußtsein der Bürger vertrauen“.

Die Initiative „Rettet das Elbufer“ legte gestern ein Gutachten des Rechtsanwalts Ulrich Wollenteit vor. Darin wird das Vorgehen des Senats für „rechtsstaatswidrig“ erklärt. Der Weg vor die Gerichte scheint vorgezeichnet. Darauf stellt sich auch der Investor ein: Er beauftragte eine renommierte Anwaltskanzlei mit der Wahrnehmung seiner Bauinteressen.

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