: Das Bündnis regt sich wieder
■ In der dritten Runde im Bündnis für Arbeit haben Arbeitgeber 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze zugesagt. Positive Reaktionen von den Gewerkschaften. Schröder zufrieden: „Ein lebendiger Verein“
Berlin (dpa/Reuters/AFP) – Bundesregierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände haben eine positive Bilanz der dritten Runde im Bündnis für Arbeit gezogen. Bei dem dreieinhalbstündigen Spitzengespräch am Dienstag abend im Kanzleramt einigten sich die Beteiligten darauf, 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen und die Altersteilzeit auszuweiten. Zudem soll künftig auch die Lohnpolitik im Bündnis Thema sein. Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) hoffte, daß aufgrund der Absichtserklärungen im Herbst konkrete Vereinbarungen zustande kommen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte, man habe alle Zweifler widerlegt. Das schon häufig totgesagte Bündnis sei ein „außerordentlich lebendiger Verein“. Vor allem die Verständigung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, auch die Lohnpolitik einzubeziehen, sei ein echter Durchbruch. Zuvor hatten die Gewerkschaften diesen Schritt stets abgelehnt. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Dieter Schulte, sagte, es sei gelungen, dieses Thema zu „enttabuisieren“. Der Chef des Deutschen Industrie- und Handelstags (DIHT), Hans-Peter Stihl, erklärte, nach einem „harzigen Anfang“ im Dezember hätten die Teilnehmer zu einem vernünftigen Miteinander gefunden.
Auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt war zufrieden und sprach von einem „hoffnungsvollen Neubeginn“. Der Vorsitzende der ÖTV, Herbert Mai, nannte das Gespräch einen „Riesenerfolg“. Auch der Einbeziehung der Lohnpolitik stimmte Mai zu, weil dadurch „die Tarifautonomie nicht ausgehebelt wird“.
Im Mittelpunkt des Gesprächs stand jedoch die Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze. Die Wirtschaft bekräftigte ihre Zusage vom Februar, den durch die Altersstruktur entstehenden Mehrbedarf an Ausbildungsplätzen in diesem Jahr zu decken und darüber hinaus zusätzlich 10.000 Lehrstellen neu zu schaffen. Wegen eines hohen Fachkräftebedarfs in der Informationstechnologie wollen die Bündnispartner in diesem Bereich die Zahl der Ausbildungsplätze in drei Jahren von 14.000 auf 40.000 zu erhöhen.
Um den Abbau der Arbeitslosigkeit voranzubringen, kamen die Bündnispartner zudem überein, das Gesetz zur Altersteilzeit zu ändern. So sollen künftig auch die Arbeitnehmer Altersteilzeit in Anspruch nehmen können, die bereits teilzeitbeschäftigt sind. Firmen mit bis zu 50 Beschäftigten brauchen den frei gewordenen Arbeitsplatz nicht mehr zwangsweise besetzen. Große Unternehmen müssen zwar einen Arbeitslosen oder Auszubildenden einstellen, können dies aber auch an anderer Stelle im Betrieb tun.
Schulte verwies auf ein gemeinsames Papier des DGB und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Darin bekennen sich DGB und BDA erstmals dazu, daß im Bündnis auch die Lohnpolitik ein Thema sein sollte. Schulte sagte, es gehe dabei nicht um Tarifverhandlungen. Über grundsätzliche Orientierungen, etwa eine Verständigung auf die Höhe der Produktivitätssteigerung und die mögliche Verwendung, könne man aber reden. „Da werden Dinge möglich, die auch ich vor einem halben Jahr nicht für möglich gehalten habe.“
Auf Zustimmung stießen bei Arbeitgebern und Gewerkschaften die Spar- und Steuerpläne der Bundesregierung, die insgesamt in die richtige Richtung gingen. Schulte bemängelte aber erneut die geplante steuerliche Nettoentlastung der Unternehmen, die auch mit Blick auf die zusätzlichen Belastungen für sozial Schwächere weder notwendig noch angebracht sei. Stihl kritisierte einmal mehr die Ökosteuerpläne der Koalition und forderte diese zudem auf, klarzustellen, wie im Zuge der Unternehmenssteuerreform in Zukunft kleine und mittlere Betriebe besteuert werden sollen.
Die nächste Runde im Bündnis für Arbeit soll im Herbst in Berlin stattfinden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen