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Keine Gnade für ein krankes Kind?

■ Erst als der Menschenrechtsverein Alarm schlug, gab das Ausländeramt nach: Jetzt entscheiden Richter über die Abschiebung eines autistisch gestörten Jungen aus Sri Lanka

Über dem Erstklässler Dharjan und seinen sri lankanischen Eltern hängt ein Damoklesschwert. Vorerst darf der siebenjährige Sohn abgelehnter Asylbewerber, der unter autistischen Störungen leidet, zwar in Bremen bleiben. Das entschied gestern kurzfristig das Bremer Ausländeramt. Wie lange aber, und ob für immer – darüber muß jetzt das Bremer Verwaltungsgericht urteilen.

Diesen Weg hatte das Ausländeramt gestern in letzter Sekunde frei gemacht – nachdem es zuvor auf einer Ausreise der Familie bestanden hatte. Doch der Bremer Menschenrechtsverein und der Anwalt der Familie hatten Alarm geschlagen: Im Falle einer Abschiebung nach Sri Lanka werde für den kranken Dharjan jede positive Entwicklungschance zunichte gemacht. „Dort gibt es zwar eine medizinische Basisversorgung“, räumte Anwalt Jan Sürig ein. Aber Dharjan brauche mehr – „und das kostet Geld.“ Geld, das die ungelernten Eltern nicht haben. Auch würden Tamilen im Gesundheitswesen sogar in der Hauptstadt Colombo diskriminiert – bis hin zu Abweisung hochschwangerer tamilischer Frauen durch singhalesisches Personal. In Bremen dagegen bekommt der Junge die nötige Hilfe.

Dharjans Krankheit wurde für seine Eltern offensichtlich, als der Kleine zwei Jahre alt wurde. „Er ist mehr als schüchtern“, sagt der Vater. Bei unbekannten Geräuschen, lautem Krach oder in beängstigenden Situationen reagiere sein Sohn mit Angstausbrüchen und Kopfschmerzen; dann sei er nicht ansprechbar. Der Junge brauche eine Umgebung, in der er sich auskenne und sicher fühle. Viele Orte meide die Familie deshalb. In der Öffentlichkeit – wie gestern im Bremer Ausländeramt – behüten die Eltern ihr verängstigtes Kind besonders und schirmen es vor widrigen Einflüssen bestmöglich ab.

Erst seit Dharjan in Therapie ist, konnte er sich positiv entwickeln, bestätigte eine Bremer Amtsärztin. Der Kleine leide unter einer „tiefgreifenden Entwicklungsstörung“, schrieb sie in ein Gutachten für das Bremer Ausländeramt. Über Jahre hinaus brauche das Kind intensive Förderung, um weiter Fortschritte machen zu können.

Ans Ausländeramt hatten die Eltern Dharjans sich gewendet, nachdem die Richter des Verwaltungsgerichtes zwar die Asylklage abgewiesen, dabei jedoch auf die besondere Problematik der Familie verwiesen hatten. Das Gutachten der Amtsärztin sollte Grundlage einer Entscheidung über eine mögliche Duldung für das kranke Kind und seine Eltern sein.

Doch obwohl die Ärztin darin eine Weiterbehandlung Dharjans dringend empfahl, stellte sie auch fest, der Junge sei „grundsätzlich reisefähig.“ Anwalt Süring kommentiert ärgerlich: „Arme dran, Beine dran, also kann der Junge ins Flugzeug steigen.“ Das Ausländeramt habe sich „dieses reisefähig“ aus dem Gutachten gepickt, ohne über die Umstände einer solche „Reise“ abgeschobener Asylbewerber nachzudenken. Kaum in Sri Lanka gelandet, müsse die Familie mit mindestens dreitägiger Haft und Befragung direkt am Flughafen rechnen. Dieses Verfahren für zurückkehrende AsylbewerberInnen bestätigen internationale Flüchtlingsorganisationen. Für den kleinen Jungen und seine Eltern werde – falls er den Flug irgendwie überstehe – spätestens dann die Situation mehr als dramatisch. Wenn aber das Verwaltungsgericht die Krankheit Dharjans nicht als „Abschiebehindernis“ wertet, wird es so kommen.

ede

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