: Puppen bilden
■ Das Museum Ephraim-Palais zeigt „Aus gutem Hause – Kinderwelt um 1900“
„Ein gutes Kind ist stets bedacht, daß es den Eltern Freude macht.“ Wer derlei Ermahnung tagtäglich auf seiner Tasse liest, der muß doch wahrlich ein folgsames Kind werden. Auch die Schokoloden-Sammelbildchen, bunt und detailverliebt gezeichnet, schärfen ein: „Wann bekommt das Kind Stollwerck'sche Chokolade? Wenn es artig bei Tische sitzt.“ Und damit Kind weiß, wie schön das ist, zeigt das Bildchen eine Bilderbuchfamilie samt Hund und Dienstmädchen glücklich und zufrieden um die Mittagstafel sitzen.
Vieles, was von den etwa 250 Exponaten in der neuen Ausstellung der Stiftung Stadtmuseum aus den Depots ausgewählt und nun der Öffentlichkeit präsentiert wird, zeigt weniger den gelebten Alltag denn die Idealbilder, mit denen die Heranwachsenden aus den besseren Schichten, die Mädchen und Knaben „aus gutem Hause“, tagtäglich konfrontiert wurden. Ob in den Schulmaterialien oder bei den Spielsachen – es sind eher die Sehnsüchte der Erwachsenen nach einer heilen Welt in einer neuen, von Unruhe und Veränderung geprägten Zeit, die aus den Spielwaren sprechen.
Das vor Hausrat geradezu überquellende große Puppenhaus, komplett von der fensterlosen, kargen Dienstbodenkammer unterm Dach bis zum mit schweren Möbeln eingerichteten Herrenzimmer, vermittelt einen Einblick in die Wohnwelt der ausgehenden Gründerzeit. Ein Idealhaus. Die Puppenküche, voll funktionsfähig, trimmt das Mädchen auf seine Bestimmung. „Es lernt selbständig und selbsttätig kochen und wird in Küche und Hauswesen heimisch“, meint die Anleitung zu „Haustöchterchens Kochschule“, während sich der Knabe beim „Vaterländischen Geschichtsspiel“ mit Fragen wie „Wann fand die Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals statt?“ und militärischen Strategiespielen beschäftigt.
Ob Puppen, Baukästen oder technisches Spielgerät – es sind stets aufwendig, mit vielen Feinheiten gestaltete Spielsachen. Kunstvoll oft, trotz maschineller Massenfertigung. Entdeckt man sie auf dem Trödelmarkt, verströmen sie ein nostalgisches Flair. Hier, in dieser Zuordnung, eröffnen sie dem Betrachter einen ganz neuen, anderen Blick: nämlich wie wenig Selbstzweck und wieviel Medium zur standes- und geschlechterspezifischen als auch staatsbürgerlichen Erziehung diese – immer noch schönen – Objekte letztlich waren. Axel Schock
„Aus gutem Hause“. Bis 31. Juli, Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, Museum Ephraim-Palais, Poststr. 16, Mitte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen