: Kosovaren wollen die Russen nicht
■ Die Stationierung russischer KFOR-Soldaten ruft heftige Proteste der Kosovo-Albaner hervor. Die Russen sollen bei heiklen Aufgaben nur im Verbund mit Nato-Einheiten handeln
Erstmals hat am Wochenende ein russisches KFOR-Kontingent in Kosovo Stellung bezogen. In den Außenbezirken der Stadt Kosovska Kamenica im Osten der Provinz übernahm eine Vorhut von 86 russischen Fallschirmspringern einen Stützpunkt der US-Armee. Am Sonntag erreichte ein russischer Vortrupp Malisevo im deutschen KFOR-Sektor.
Meinungsverschiedenheiten zwischen der Nato und Rußland über die Stationierung der russischen Soldaten hatten zwischenzeitlich die beiderseitigen Beziehungen belastet.
Obwohl die albanische Führungsspitze die örtliche Bevölkerung zu einer Protestkundgebung gegen das Kosovo-Engagement Rußlands aufgerufen hatte, blieb es in den beiden Städten ruhig. Zu friedlichen Protesten von Kosovo-Albanern kam es dagegen in Orahovac, Drenica und Rezalla. Zwischen 500 und 3.000 Menschen versammelten sich in diesen Orten zu Demonstrationszügen und skandierten Parolen wie „Wir mögen keine Russen“, „Russen und Serben sind eins“, „Nato, befrei uns von den Slawen!“
Die Nato indes verfolgt andere Ziele und verweist auf die erfolgreiche Befriedung in Bosnien. Dort sind russische Soldaten bereits seit fast vier Jahren unter der Fahne der UNO-Friedenstruppe SFOR stationiert. Und die Erfahrung in Bosnien lehrt: Nach anfänglichen Ressentiments von seiten der Kroaten und Bosniaken gegen die russischen Truppen sind vor Ort heute eher Franzosen, Briten und Holländer die Buhmänner.
Die SFOR-Spitze verstand es, die russischen Truppenkontingente geschickt von heiklen Missionen fernzuhalten. Die gewaltsame Festnahme mutmaßlicher Kriegsverbrecher übernahmen bislang nur US-Amerikaner, Briten und Franzosen unter Beteiligung von Holländern und Italienern. Auch die Zerstörung schweren Kriegsgeräts fiel nicht in den Aufgabenbereich des russischen Kontingents.
So will es die KFOR auch im Kosovo halten. Die Russen sollen, falls überhaupt, bei heiklen Aufgaben nur im Verbund der Amerikaner, Italiener und Deutschen handeln. Dieses Konzept könnte aufgehen, denn die albanischen Anfeindungen gegen die russische Einbindung in die Kosovo-Friedenstruppe haben weder Tradition, noch liegen ihnen konkrete Erfahrungen zugrunde. Die albanische Frage auf dem Balkan war in diesem Jahrhundert nie von der Position Moskaus abhängig, das Kosovo war stets ein Spielball der türkischen, italienischen, deutschen und österreichischen Diplomatie.
Im vergangenen Jahr brauchte die konfus strukturierte kosovarische Befreiungsarmee UÇK jedoch einen Sündenbock, um ihre militärischen Mißerfolge zu kaschieren. Die UÇK-eigene Presseagentur Kosovapress wurde nicht müde, von immer neuen Waffenlieferungen Moskaus an Belgrad zu berichten und von angeblichen russischen Ausbildern, die auf seite der Serben kämpfen sollten.
Seriös belegt werden konnten diese Anschuldigungen bis heute nicht. Fest steht nur, daß sich Freiwillige aus Rumänien, Bulgarien und der Ukrainie in den Dienst der Serben stellten und Waffen über die Nachbarstaaten Ungarn, Rumänien und Bulgarien ins Kampfgebiet geschleust wurden. Zwei damals gefangengenommene „russische Generäle“, die dann als Kriegsverbrecher den US-Einheiten in Albanien übergeben wurden, entpuppten sich einige Zeit später als ukrainische Söldner.
Karl Gersuny
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