piwik no script img

100 Menschen sterben jedes Jahr an Dieselruß

■ Nach einer Heidelberger Studie sterben in Berlin mehr Menschen an Dieselruß als an Aids. Trotz Senatsbeschluß zum Verbot von schadstoffarmen Fahrzeugen passiert nichts

In Berlin sterben jedes Jahr etwa einhundert Menschen an Autoabgasen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Krebsrisiko durch Benzol- und Dieselrußpartikel“ des Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstituts. Danach sterben in Berlin mehr Menschen an Lungenkrebs infolge von Dieselruß als an Aids oder durch Asbest. „Wenn man die besonders starke Belastung durch den Lieferverkehr in Betracht zieht, müßte die Zahl noch nach oben korrigiert werden“, sagt der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Hartwig Berger. Nach einer schwedischen Studie steigt das Lungenkrebsrisiko durch Dieselruß in verkehrsdichten Wohngebieten sogar um 40 Prozent.

Aufgrund dieser Gefahren fordert Berger den Senat auf, die Verordnung „Ohne Kat nicht in die Stadt“ noch in diesem Jahr in Kraft zu setzen. Dieses „Innenstadtkonzept“ hatte der Senat bereits 1994 beschlossen. Danach sollten schon ab Juli 1998 nur noch Autos mit Kat in der Innenstadt fahren dürfen. Ab diesem Jahr sollten schwere Lkws und ab dem Jahr 2000 leichte Lieferwagen mit hohen Dieselrußwerten aus dem inneren S-Bahn-Ring verbannt werden. „Aber der Senat hat bis heute keine Maßnahmen dazu ergriffen“, kritisiert Berger.

In Beantwortung einer kleinen Anfrage von Berger mit dem Titel „Stiller Tod durch Autoabgase“ hat Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) nun eingeräumt, daß das Lungenkrebsrisiko durch Dieselruß „weit höher als bisher angenommen ist“, so Berger. „Die alarmierenden Ergebnisse, die ein Heidelberger Forschungsinstitut im Herbst 1997 veröffentlich hat, werden nicht abgestritten, sie werden relativiert“, so Berger weiter. So bezweifelt Strieder die Studie, weil sie auf einer Untersuchung an Männern beruht und diese häufiger als Frauen rauchen würden. Zum Innenstadtkonzept antwortete er ausweichend. Für die „Durchsetzung flächendeckender Maßnahmen“ müßten an einer großen Anzahl von Hauptverkehrsstraßen die Werte überschritten sein. Außerdem seien die Meßergebnisse im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Doch nach Angaben von Berger ist diese Abnahme auf den „kühlen und windigen Sommer“ zurückzuführen. Für dieses Jahr rechnet Berger sogar mit einer Verschlechterung. „Das ist gesundheitspolitisch verantwortungslos!“ schimpft er. Berger verweist außerdem auf eine Regelung in Stuttgart, nach der ab 2001 nicht schadstoffarme Fahrzeuge nur vier Stunden am Tag in weiten Teilen des Stadtgebietes zugelassen sind. Der Berliner Senat will dieses Modell vorerst nur beobachten.

Marco Zschieck

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen