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Kampfbund der Einsamen

Sie himmeln den verstorbenen Neonazi Michael Kühnen an. Er schwärmt für Erich Honecker. Nun arbeiten der rechte Kampfbund und der Altkommunist Michael Koth zusammen – und setzen auf Zuwachs in Ostdeutschland  ■   Von Tobias Kaufmann

So richtig ernst nehmen sie Thomas Brehl nicht mehr, seit Kühnen tot ist. Beim Verfassungsschutz zitieren sie gern die Hinweise der Ärzte, sein Knochengerüst habe Schwierigkeiten, die Masse Fleisch zu tragen, aus der Brehl besteht. Seine zahlreichen Feinde im rechten Lager halten ihn für einen Sektierer. Sogar die Freunde aus der deutschen Neonaziszene neigen an diesem Juliabend in Köln zur Ironie.

Als sich in der polizeibekannten Kneipe „Stass“ auf der Aachener Straße rund fünfzehn NS-Bewegte versammeln, um den „Kampftag gegen die Reaktion“ zu begehen, ist Thomas Brehl nicht dabei. Er ist, wie Versammlungsleiter Michael Thiel spitz anmerkt, mal wieder nicht „aus dem Quark“ gekommen. Immerhin: Eine persönliche Grußbotschaft an die Kameraden habe sich Brehl auch diesmal nicht nehmen lassen. „Seid revolutionär, seid national, seid sozialistisch!“ schreibt Brehl seinen Getreuen.

Die aufbauenden Worte aus dem „Hauptgefechtsstand“ im hessischen Langen sind nötig. Das einzige, was der Stellvertreter Michael Kühnens bisher erreicht hat, ist, daß der Name des bekanntesten Neonazis der Bundesrepublik, der 1991 an Aids starb, in der Szene nur noch mit dem Zusatz „unser unvergessener Chef“ ausgesprochen wird.

Und der „unvergessene Chef“ fehlt an allen Enden, das wissen auch jene, die ihn beerbt haben. Brehl, einst beim Bundesgrenzschutz, sitzt seit einer Haftstrafe und den zahlreichen Verboten neonazistischer Parteien und Gruppen in Langen herum und gibt pathetische Schriften heraus. An der Schrankwand hängt ein Wappen: „Kühnen – und du siegst doch.“ Der Nationalsozialist Brehl hat seine beste Zeit hinter sich. In einem seiner Texte „Wider den Zeitgeist“ schrieb er, er werde sich notfalls mit dem Teufel verbünden, „um Deutschland zu retten“.

Statt dessen kam Michael Koth. Wer den kleinen Mann mit der großen Brille, den DDR-Ehrenabzeichen und der Armbanduhr mit dem Stalin-Konterfei sieht, muß den Eindruck haben, daß da einer übriggeblieben ist. Vor fünf Jahren war der ehemals treue SED-Parteisoldat noch stellvertretender Vorsitzender der Kommunistischen Partei in Ost-Berlin – dann flog er wegen neostalinistischer Ansichten raus. Und doch war er der letzte, der den ehemaligen DDR-Staatschef Erich Honecker vor dessen Abflug nach Chile in Berlin besucht hat.

Im Juli 1999 ist der 43 Jahre alte Eisenbahner aus Berlin wieder ein Hoffnungsträger. Seit Minuten blättert er, allein am provisorischen Rednerpult im Hinterzimmer des „Stass“ sitzend, in seinem Manuskript. Koth hat sich für dieses Referat extra einen Tag freigenommen. Wie vor zwei Jahren, als er Thomas Brehl in Langen aufsuchte. „Natürlich hatte die Situation etwas Surreales, als Koth, unter meinem großen Führerbild sitzend, von seinen Begegnungen mit Honecker und Krenz berichtete oder von seinen Reisen nach Nord-Korea“, schrieb Brehl zwei Wochen später. Inzwischen ist die bizarre Koalition perfekt: In Cottbus gründeten Koth, Brehl, Thiel und der frühere Chef der „Deutschen Alternative“, Frank Hübner, am 1. Mai diesen Jahres den „Kampfbund deutscher Sozialisten“. Der Bund soll so etwas sein wie Ernst Röhms politisches Erbe. Röhm war als ehemaliger Kommunist mit seiner Forderung nach einer sozialistischen Revolution der prominenteste Vertreter des sozialistischen Flügels der NSDAP. Am 30. Juni 1934 ließ Hitler den Chef der in Straßenschlachten bewährten Sturmabteilung (SA) wegen eines angeblichen Putschversuchs erschießen. Röhms letzte Worte sollen „Heil Hitler“ gewesen sein. Ein treuer, verratener Kämpfer, dessen Tod „der Führer“ später bereut haben soll, eignet sich glänzend als Vorbild für einen neuen Nationalsozialismus.

Und Koth, der laut Versammlungsleiter Thiel „Deutschland wiederentdeckt hat“, soll der letzten Garde des ehemaligen Vorzeigenazis Kühnen nun das Vertrauen geben, daß das vierte Reich kommen wird, wenn die Revolutionäre nur fest zusammenstehen. Ein Hoffnungsträger also. Sogar eine rote Fahne mit dem Schriftzug „es lebe der deutsche Sozialismus“ hat Koth mitgebracht. Er schwitzt, wie alle in der stickigen Schankstube. „Also, das ist mit Abstand der heißeste Ort ..., gibt's hier keine Fenster? Die kälteste Veranstaltung hatte ich mal in einem Ostsowjet, da war die Heizung ausgefallen ...“, plappert Koth, dem keiner zuhört, weil gerade neues Bier kommt, „... aber das hier ist die heißeste Veranstaltung in über 30 Jahren politischen Kampfes. Da kriegst du ja 'ne Krise – und ich bin wirklich nicht empfindlich.“

Michael Koth redet immer so. Kein Satz vergeht, ohne, daß er an etwas Ehemaliges erinnert, an dem er an prominenter Stelle teilgenommen hat. Kein Wunder, daß die westdeutsche KPD ihn auf ihrer Homepage als „Phrasendrescher und Wichtigtuer“ abtut, und kein Wunder, daß so einer zu Brehl paßt, den selbst Verfassungsschützer wegen seiner schwülstigen Kühnen-Gedichte belächeln. Doch die Rotbraunen meinen es ernst, vielleicht genau deshalb. Der „Kampfbund“ hat nach Erkenntnissen des Brandenburger Verfassungsschutzes alle Merkmale einer rechtsextremen Gruppierung. Dafür spricht nicht zuletzt, mit wem die Kampfbündler gemeinsame Sache machen.

Da wäre zum Beispiel Axel Reitz. Reitz ist 16 Jahre alt und hat bereits eine beachtliche Nazikarriere und diverse Vorstrafen wegen Meinungsdelikten hinter sich. Er ist Führer der „Kameradschaft Köln“, zu der auch gewaltbereite Neonazis gehören. Reitz' Mannschaft ist dem „Kampfbund“ komplett beigetreten.

Am Vormittag vor dem Treffen in Köln haben sich Koth und sein junger Freund von einem Kameraden ins niederländische Örtchen Maasdriel chauffieren lassen. Ziel war das Jahrestreffen der faschistischen „Volksunion“ und Aktivisten der in Deutschland verbotenen FAP. Die Niederländer, die laut eigenem Bekunden „für die weiße Rasse kämpfen“, wollen dies künftig gemeinsam mit Koths Naziverein tun. Ein erfolgreicher Ausflug also, im Café „De Kroon“ hat Koth Thomas Brehl gleich eine Karte geschrieben. Anschließend hat er dem „Volksunion“-Chef Constan Kusters ein Buch von Nord-Koreas Diktator Kim Jong Il geschenkt und versprochen, bis zum nächsten Treffen sämtliche Originalwochenschauen „von Führers Geburtstag bis zum Ende“ zu besorgen. Für 600 Mark. Kusters war begeistert. Diese Momente genießt Koth. Wenn die Nazis von ihrem untergegangenen Reich träumen, sind sie wie er, der sich zu Hause an schlechten Abenden DDR-Videos ansieht.

Auch beim „Kampfbund“-Treffen in Köln gibt es Devotionalien. Auf einem Tisch stehen Bücher über die Waffen-SS neben dem Werk „Brot backen – wie früher auf dem Lande“. Weder das eine noch das andere kann der Mann hinter dem Büchertisch verkaufen. Die Kameraden lauschen lieber Michael Thiel, der für den „Kampfbund“ als Bereichsleiter Nordrhein-Westfalen agiert und die verhaßte Wehrmachtsausstellung eine „Scheiß-Judenausstellung“ nennt.

Dann redet Axel Reitz. Er reckt den Hals, um den eine schwarze Krawatte mit SA-Abzeichen baumelt, und schwört den Feinden der Bewegung Rache. Koth nennt Reitz nur „Quex“, nach einem von Kommunisten ermordeten Hitlerjungen. „Diejenigen, die uns heute bekämpfen, werden einmal auf dem Marktplatz erschossen!“ ruft „Quex“ unter Beifall, und seine Jungenstimme überschlägt sich. In diesem Moment wirkt Michael Koth nicht mehr so überzeugt. Sein Blick in Richtung des blonden Teenies, der seinen Auftritt mit „Sieg Heil!“ beendet, wirkt unsicher. Der Eisenbahner greift schnell nach dem Weizenbier. Vielleicht denkt Michael Koth, der einstige Kommunist, in solchen Momenten an das Ende von Ernst Röhm.

Die Skrupel halten nicht lange, denn kurz darauf darf Koth sein sehnlichst erwartetes Referat halten. Die Kameraden hängen an seinen Lippen, obwohl sein Vortrag lang ist und wirr wie immer. Die Aussicht, mit „Kampfbund“-Agitation in den neuen Ländern massenhaft frustrierte PDS-Anhänger für „die deutsche Sache“ gewinnen zu können, wie Koth verspricht, läßt die Aktivisten auf das Ende ihres sektenähnlichen Daseins hoffen.

Diese Einschätzung haben sie exklusiv. Experten sagen dem „Kampfbund“ mit seinen geschätzt 30 Mitgliedern ein klägliches Ende voraus. Linkswähler würden sich niemals von Brehls ideologischem Brei überzeugen lassen, und für die rechten Schläger sei das verquaste Theoriengeflecht eine Nummer zu hoch.

Koth ist's an diesem Abend egal. Er gibt zu, daß der Sowjetsozialismus falsch war und würdigt, daß auf den „Kraft durch Freude“-Urlaubsschiffen der Nazis eine klassenlose Gesellschaft geherrscht habe. Für einen wie Thiel schmeckt dieses Bekenntnis wie ein historischer Sieg. Nach dem Vortrag dankt er Koth überschwenglich für seine „lange, aber dennoch geniale Rede“. Von Axel Reitz gibt es einen Händedruck und Schulterklopfen. Und Michael Koth grinst in die Kamera des Fernsehteams, das er hierher geladen hatte. „Krenz konnte länger lächeln“, sagt er schon zum dritten Mal an diesem Tag, und dann kräht er: „Das wird heute abend alles gesendet, in der Spätausgabe der aktuellen Kamera.“ Nur, daß es die nicht mehr gibt. Koth ist jetzt regelrecht aufgekratzt und wiederholt noch mal seinen Scherz, daß er nicht damit gerechnet habe, hier unbeschadet rauszukommen. Bei so vielen Rechten.

Ihm ist nichts passiert. Der „Kampftag gegen die Reaktion“ endet trotzdem mit einer Niederlage. Vor allem für den Buchhändler. Kaum ist das Deutschlandlied verklungen, klettern mehrere Staatsschutzbeamte aus ihren Autos, in denen sie stundenlang gewartet haben, und beschlagnahmen das gesamte Propagandamaterial. Mit dabei ist auch die neue Broschüre von Thomas Brehl. Sein Gedicht auf der letzten Seite heißt „Schicksal“. Es handelt vom Selbstmitleid.

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