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V-Mann ging lieber zur Arbeit statt auf Horchstation

■ Verfassungsschutz wußte von PKK-Treffen am 17. Februar, hatte aber keinen V-Mann vor Ort. Blutbad am israelischen Konsulat hätte vielleicht verhindert werden können

Scheibchen für Scheibchen kommt die Wahrheit ans Licht: Das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat bei der Beobachtung der PKK gravierende Fehler gemacht. Nach einem Bericht des Tagesspiegels waren am Morgen des 17. Februar, also vor der Besetzung des israelischen Generalkonsulats, keine V-Leute im Zentrum der Demokratischen Emigranten-Union. Dort hatten sich die PKK-Anhänger um 5 Uhr früh getroffen, um weitere Aktionen gegen die Verschleppung ihres Führers Öcalan zu starten. Obwohl der Verfassungsschutz wußte, daß das Treffen stattfinden würde, war kein V-Mann vor Ort. Statt die Lage zu beoachten, war der V-Mann nach Informationen der Zeitung normal zur Arbeit gegangen. Eine frühzeitige Warnung, durch die das Blutbad am israelischen Generalkonsulat hätte verhindert werden könne, blieb somit aus.

Am Vorabend hatte die Quelle des LfV offenbar noch gut funktioniert. Gegen 22.20 Uhr hatte ein für die PKK zuständiger Mitarbeiter des Verfassungsschutzes dem Landeskriminalamt mitgeteilt, daß sich 500 Personen in dem Zentrum am Mehringdamm befänden. Es sei dazu aufgerufen worden, sich am kommenden Morgen um 5 Uhr früh erneut dort zu treffen, niemand solle zur Arbeit gehen. „Mit Aktionen – wie die vom heutigen Tage, die ebenfalls um 4.42 Uhr begann (gemeint ist die Besetzung des griechischen Generalkonsulats; d. Red.) – muß gerechnet werden“, lautete die Einschätzung des Verfassungsschutzmitarbeiters, die von einer Kriminalkommissarin am anderen Ende der Leitung als Gesprächsnotiz zu Papier gebracht wurde.

Der Vermerk dieser Beamtin ist dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zu den Ereignissen am israelischen Generalkonsulat schon länger bekannt. Eine Überprüfung des Vorgangs scheiterte bislang aber daran, daß die Innenverwaltung die Einsicht in die Unterlagen des Verfassungsschutzes sowie die Vernehmung von Mitarbeitern des Amtes mit dem Hinweis auf Quellenschutz verweigerte. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Wolfgang Wieland (Grüne), hält den Quellenschutz für ein vorgeschobenes Argument, um das Amt zu decken. Wenn es zutrifft, daß am 17. Februar kein V-Mann bei dem Treffen in dem Zentrum gewesen ist, so Wieland „riecht das nach einem eklatanten Versagen des Landesamtes. Denn man mußte mit weiteren Besetzungen rechnen.“

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, spricht von einem „ungeheuerlichen Vorgang“, der ein Nachspiel haben werde. Die „Chronique scandaleuse“ des Verfassungsschutzes sei offenbar grenzenlos. Ständig werde so getan, als sei alles offengelegt, „aber wieder einmal hat das Parlament nicht die ganze Wahrheit erfahren“. Künasts Fazit: „Niemand kann so gut begründen, warum der Berliner Verfassungsschutz überflüssig ist, wie das Amt selbst.“

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Hans-Peter Seitz, spricht von „einer weiteren Panne in einer Kette von Versäumnissen“. Die Konsequenz daraus könne nur sein, daß die SPD nach Wahlen in dem Amt aufräume, „wenn sich Werthebach nicht darum kümmert“.

Einzig der Vorsitzende des Verfassungsschutz-Ausschußes, Andreas Gram (CDU), vertritt, daß dem Verfassungsschutz nach dem bisherigen Untersuchungsstand „kein Vorwurf“ zu machen sei. Vielmehr seien die entscheidenden Informationen vom Bund gekommen, „der sich aber bisher in Schweigen hüllt“. Von der Innenverwaltung und dem Verfassungsschutz war keine Stellungnahme zu erhalten: Zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mitteln werde grundsätzlich keine Erklärung abgegeben, hieß es. Plutonia Plarre

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