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Irans Theokraten schlagen zurück

Die Konservativen mobilisieren Zehntausende zu einer Jubelkundgebung für die Islamische Republik. Studentenorganisationen rufen zur Zurückhaltung auf  ■   Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Irans Konservative haben sich die Straßen von Teheran zurückerobert. Zehntausende kamen gestern vormittag zu einer Kundgebung für die Prinzipien der Islamischen Republik in die Nähe der Universität. Von den Studenten und Bürgern, die in den letzten Tagen die Haupstadt in Unruhe versetzt hatten, war dagegen nichts zu sehen. Auch nichts von Anhängern des reformorientierten Präsidenten Mohammad Chatami.

Wie in alten Zeiten skandierten die Demonstranten „Tod den USA“ und trugen Bilder des Revolutionsführers Ajatollah Chomeini und dessen Nachfolger, Ali Chamenei, mit sich. Obwohl auch Präsident Chatami zu der Veranstaltung aufgerufen hatte, waren keine Porträts von ihm zu sehen. Ebensowenig er selbst. Mobilisiert hatte zu der „Kundgebung der Einheit“ die von Chamenei kontrollierte „Organisation für die Propagierung des Islam“. Etliche Teilnehmer wurden mit Bussen zum Veranstaltungsort gebracht.

Der Sekretär der Nationalen Sicherheitsrates, Hassan Rohani, sagte der Menge, jeder Versuch einer Rebellion werde entschieden niedergeschlagen. Auf keinen Fall werde man dulden, daß das Prinzip des welajat-e faqih in Frage gestellt werde, die Grundlage der iranischen Theokratenherrschaft. Menschen, die in den letzten Tagen in Zusammenhang mit den Unruhen festgenommen worden seien, würden als „Konterrevolutionäre“ behandelt, kündigte Rohani an. Auf dieses „Delikt“ steht in der Islamischen Republik die Todesstrafe. Zugleich versprach er, die Behörden würden den Vorfall in einem Studentenwohnheim am vergangenen Donnerstag untersuchen. Bei dem Sturm von Polizisten auf die Unterkunft war nach amtlichen Angaben ein Mensch getötet worden. Das Ereignis hatte die Proteste der letzten Tage ausgelöst.

Vor dem Beginn der gestrigen Kundgebung fiel das Teheraner Mobiltelefonnetz aus. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte „Technikerkreise“ mit der Erklärung, die Hauptsendeantenne sei ausgeschaltet worden, ein Defekt sei unwahrscheinlich. Die Studenten hatten ihre Proteste zum Großteil über Mobiltelefon koordiniert.

Chamenei hatte am Dienstag abend die den Revolutonswächtern unterstellten „Bassidsch“ aufgerufen, gegen aufmüpfige Demonstranten vorzugehen. Mitglieder der Religionsmiliz müßten überall dort sein, wo sie benötigt würden, „um die Basis der Feinde einzuschüchtern und sie zu zermalmen.“

Nach Informationen der taz sollen am gleichen Abend in Teheran mehrere Oppositionelle verhaftet worden sein, darunter etwa 30 Angehörige der illegalen Nationalpartei. Deren prominentestes Mitglied, Dariusch Foruhar, war Ende vergangenen Jahres gemeinsam mit seiner Frau Parvaneh Eskanderi in ihrer Wohnung wahrscheinlich von Geheimdienstlern umgebracht worden. Beobachter in Teheran befürchten nun weitere Verhaftungen.

Vor der gestrigen Veranstaltung hatten mehrere reformorientierte Studentenorganisationen ihre Anhänger zu Zurückhaltung aufgerufen. Die staatliche Nachrichtenagentur Irna zitierte aus einem Kommuniqué eines „Rates der sitzstreikenden Studenten“: „Um an der Universität Ruhe herzustellen, im Sinne der nationalen Sicherheit und zur Unterstützung von Reformen, im Interesse der (heute beginnenden, d. Red.) Eingangsprüfungen an den Hochschulen, bittet der Rat alle sitzstreikenden Studenten und alle ehrenhaften Menschen, bis zum 17. Juli keine Sitzstreiks oder Straßendemonstrationen zu veranstalten.“ Grund dieser Auszeit seien Verhandlungen zwischen den Studenten und Behörden. Dann folgt ein Katalog von sieben Forderungen an die Behörden, darunter die Absetzung des für den Sturm auf das Studentenwohnheim verantwortlichen Brigadegenerals, die Herausgabe der Leichen der dabei getöteten Studenten und öffentliche Gerichtsverfahren gegen jene, die diese Verbrechen angeordnet haben sowie die Wiederzulassung der Zeitung Salam.

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