: Ohne Kids nur halb so cool
■ Am Sonntag öffnete der Yaam-Club erneut auf dem Arena-Gelände seine Pforten
Bereits im Juni sorgte ein Fax für einige Aufregung in den Programmredaktionen der Stadt: Zwar listete auf dem Fax die Arena wie üblich ihr Tagesprogramm auf, doch unübersehbar prangte am Ende unter der Überschrift „Alte Freunde soll man nicht trennen“ die Ankündigung, daß der Open-air-Club Yaam am Sonntag, den 18. Juli an altbekannter Stelle wiedereröffnen würde. Nach einer langjährigen Odyssee durch die verschiedensten Stadtteile sollte der Yaam-Club also wieder an seinen angestammten Platz zurückkehren.
Als er im August letzten Jahres seinen alten Standort an der Kreuzberger Cuvrystraße aufgeben mußte, wußte der Trägerverein um Ortwin Rau zunächst nicht, wohin mit dem Yaam. Seine Gerätschaften wurden eingelagert, die Logos von Jim Avignon in Decken gehüllt, der Club verschwand aus dem Stadtbild. Pläne, die beispielsweise vorsahen, das von der Stillegung bedrohte Kinderbad im Monbijoupark zu übernehmen, zerschlugen sich, und geeignete Plätze in Friedrichshain, Kreuzberg oder gar Mitte waren einfach nicht zu finden. So war die Yaam-Crew dazu verdammt, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen – unter anderem dem durch Barbara John verliehenen Mete-Eksi-Preis für seine Multikulti-Arbeit – und höchstens hie und da in einem anderen Club eine nostalgische Nacht zu organisieren. Vor der Jahrtausendwende jedenfalls hatte niemand mehr mit der Wiedereröffnung des Yaam gerechnet.
Doch am vergangenen Sonntag war es soweit. Bereits auf dem Weg zum Gelände bekam man das Gefühl, zu einem Jahrmarkt unterwegs zu sein, so stark war der Andrang und so unterschiedlich das Publikum: Ökos, Hipster, brave Familienväter mit Kinderwagen.
Auf dem Gelände des neuen alten Yaam selbst verstärkte sich der Jahrmarkt-Eindruck noch, denn es waren offensichtlich mehr Stände aufgebaut als je zuvor. Natürlich gab es afrikanisches Essen, selbstredend bot die Escobar 2000 Drinks an, das Yaam-Soundsystem war phat wie gehabt, und der Caipirinha wurde so souverän ausgeschenkt, als habe es nie irgendeine Pause gegeben.
Doch etwas fehlte. Zum einen war da der Sandboden, der die Cuvrystraße in einen schönen Spreestrand verwandelt hatte. Jetzt, neben der Arena, müssen die Basketballer wieder auf Betonplatten spielen. Auch abgewrackte Bauten wie etwa das Betonwerk gibt es nicht mehr.
Zum anderen fiel auf, wer hier vor allem nicht am Start war: die Kids. Jene Kinder aus der Umgebung, die den weitaus älteren jugendkulturellen Profis, die den Yaam so gern besuchen, den authentischen Charme zum Getränk beigegeben haben. Die Kinder, die dem von der Yaam-Leitung bevorzugten Ghettostyle des Geländes einen Sinn gegeben haben, die überhaupt das Zielpublikum des Yaam sind. Zumindest an diesem Sonntag sind sie ferngeblieben.
Statt dessen gaben sich ihre älteren Schwestern und Brüder, wenn nicht sogar ihre Eltern ein Stelldichein, auch die obligatorische Berliner Viertelprominenz und ein paar RTL-Sternchen.
Doch ohne die Kinder, die mit der aufgesetzten Coolness der älteren nichts am Baseballkäppi haben, wirkte das Gelände an diesem Sonntag wie eine leere Kulisse. Es ist damit zu rechnen, daß sich die Jugendlichen aus der Umgebung diesen insbesondere für sie bereitgestellten Raum recht bald erobern. Denn der Yaam ist immer eine Art Club gewesen, in dem die Ansprüche der MTV-Generation ernst genommen wurden – was halt eine sozialpädagogische Einrichtung nie hinbekommen würde.
Der Yaam sucht keine Kids, die sich austoben wollen, sondern diese finden ihn. Er ist ihr Gelände. Und dann dürfte sich auch der Eindruck verflüchtigen, daß der Yaam nichts anderes ist als ein unbewegter Karneval der Kulturen für Sonntagsausflügler. Jörg Sundermeier
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