: „Als Friedenspartei nicht wählbar“
■ Christian Herz, Sprecher der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, über die Außenpolitik der Grünen
taz: Was fällt Ihnen beim Namen Jürgen Trittin ein?
Christian Herz: Bei seiner Rede während der Protestverantstaltung gegen das Gelöbnis 1998 in Berlin hat er versprochen, daß die Grünen, sollten sie an die Regierung kommen, einen harten Kampf gegen die Wehrpflicht führen würden. Dazu gehört auch das öffentliche Gelöbnis. Davon ist nicht mehr die Rede. Ich bin enttäuscht.
Humanitärer Militäreinsatz, Kosovo-Krieg – angesichts der jüngsten Entwicklung wirkt die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär wie ein Echo aus fernen, altbundesrepublikanischen Zeiten.
Ja, das Klima hat sich verschärft. Die Grünen haben sich seit der Regierungsbeteiligung dermaßen an die SPD angepaßt, wie dies niemand vor der Wahl für möglich gehalten hat. Im Militärbereich haben sie alle Positionen aufgegeben, die ehemals für sie wichtig waren. Als Friedenspartei sind die Grünen im Moment nicht wählbar.
Wie wirkt sich dieser Positionswechsel der Bündnisgrünen auf Ihre Arbeit aus?
Früher haben wir von den Grünen sehr viel Informationen aus dem militärischen Bereich bekommen. Jetzt bekommen wir von ihnen weniger als unter der CDU-Regierung von den Konservativen.
Teilen die Grünen mit der SPD nicht nur Inhalte, sondern auch das Trauma, keine Vaterlandsverräter sein zu wollen?
Offensichtlich. Die grünen Regierungsmitglieder wollen im militärischen Bereich noch staatstragender sein als die alten.
Die Grünen sind also nicht mehr Bündnispartner der Friedenbewegung?
Schlimmer, sie schwächen sie. Die komplette Militär- und Außenpolitik der Bundesrepublik hat ein neues Paradigma bekommen, wie es unter der alten Regierung nicht möglich gewesen wäre. Das konnte nur unter Rot-Grün gelingen, weil die Opposition durch die Einbindung geschwächt wurde – durch Vertragswerke, durch Regierungsbeteiligung, durch persönliche Vorteile.
Was ist gegen eine Gelöbnisfeier am 20. Juli einzuwenden? Das ist doch der ehrenwerte Versuch einer neuen Traditionsbestimmung der Bundeswehr.
Ein Gelöbnis ist, egal an welchem Tag und wo, ein aufgeblähtes Militärspektakel, bei dem versucht wird, den Schulterschluß zwischen Bevölkerung und Militär herzustellen. Das Ganze wird religiös und mystisch überlagert. Es ist eine irrationale Veranstaltung, die dazu dient, das Militär demokratisch erscheinen zu lassen.
Rechnen Sie heute mit einer wirksamen Gegendemonstration gegen das Gelöbnis?
Unter Rot-Grün werden die Absperrmaßnahmen noch härter sein als in der Vergangenheit. Aber eines werden wir trotzdem erreichen: Es wird kein öffentliches Gelöbnis geben, sondern eine geschlossene Sonderveranstaltung in einem Hochsicherheitstrakt. Interview: Eberhard Seidel
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