: Unsauberer Schnitt nach Dauerfehde
Rücktritt des HSV-Vorstandsvorsitzenden Rolf Mares dankend angenommen. Von Führungskrise will dennoch niemand reden, denn der starke Hackmann bleibt im Amt ■ Von Sven-Michael Veit
Alle paar Monate den Trainer zu entlassen ist ja inzwischen fast jedem Amateur-Verein zur lieben Gewohnheit geworden. Auch der Hamburger Sportverein hat in den vergangenen Jahren gern von diesem Mittel Gebrauch gemacht. Doch solch kleine Fouls sind inzwischen unter der Würde des einstigen Nobelclubs, den es erklärtermaßen an die Spitze der europäischen Kicker-Zunft zieht: Unter Chef-Absägen tut's der HSV nicht mehr.
Rolf Mares ist seit Montag abend um 22.08 Uhr nicht mehr Vorsitzender des HSV-Vorstandes. Der Aufsichtsrat, mit dem der 69jährige in seiner nur neunmonatigen Amtszeit in Dauerfehde lag, hatte „mit großer Mehrheit“, so Aufsichtsrats-Vorsitzender Udo Bandow, das Rücktrittsangebot von Mares angenommen. Dessen Alternativ-Angebot, bis zum Ende der regulären Frist am 28. Januar 2000 noch im Ehrenamt zu bleiben, wurde dankend abgelehnt. Bandow, der vorige Woche mit einer öffentlichen Distanzierung Mares zum Abschuß freigegeben hatte, dankte diesem „persönlich“ für seinen Einsatz. Mares sei seinen Aufgaben „stets gerecht geworden“. Im Klartext: Der Quälgeist ist untragbar.
Der umtriebige Mares, im Hauptberuf Direktor der Komödie Winterhuder Fährhaus und nebenberuflicher CDU-Bürgerschaftsabgeordneter, ist bereits der dritte HSV-Boß in knapp vier Jahren, der seinen Hut nehmen mußte. Er ebenso wie Ronald Wulff im Oktober 1995 wegen Naivität, die Interimsbesetzung Uwe Seeler im Juni vorigen Jahres wegen Unfähigkeit und falscher Freunde.
Von einer Führungskrise beim Traditionsverein vom Rothenbaum, der inzwischen in den nüchtern-modernistischen Katakomben des halbfertigen Volksparkstadions residiert, will dennoch zu Zeit niemand sprechen. Denn laut Satzung ist der HSV mit nur zwei Vorstandsmitgliedern handlungsfähig. Mit Geschäftsführer Werner Hackmann (Ex-SPD-Innensenator), Sportdirektor Holger Hieronymus (Ex-HSV-Libero) und Joachim Hilke (Aufpasser des TV-Rechte-Verwerters Ufa) aber besteht der Vorstand gar aus noch drei Männern.
Und daß der zum Schleudersitz mutierte Chefsessel vakant ist, stört auch keinen. Der starke Mann beim HSV ist eh Hackmann, egal, wer unter ihm den Vorsitzenden gibt. „Wir haben keine Eile, einen Nachfolger zu finden“, erklärte Bandow denn auch gelassen. Bei der nächsten Sitzung am 23. August soll über das Thema diskutiert werden.
Mares gab sich nach seinem Rücktritt-Rausschmiß eher wortkarg. Er werde keine „schmutzige Wäsche waschen“. Schuldzuweisungen wollten sich die Kontrahenten in gegenseitiger Absprache ersparen. „Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß ich als ehrenamtlicher Vorsitzender der Problematik HSV nicht mehr gerecht werde“, lautete nunmehr seine bereinigte Argumentation.
Noch kurz vor der Sitzung des Aufsichtsrates hatte Mares sich anders geäußert: „Es geht im Streit längst nicht mehr um Sachfragen. Es sind nur noch persönliche Animositäten. Es gibt keine Basis für eine vernünftige Zusammenarbeit, wenn manche nur darauf warten, daß jemand auf eine Mine tritt“, hatte seine Einschätzung des Klimas zwischen Vorstand und Aufsichtsrat wie auch in diesem Gremium selbst gelautet.
Sieben Wochen zuvor hatte die Führungsmannschaft des HSV den Frontalcrash gerade noch verhindern können. Damals hatten Mares, Hackmann und Hieronymus mit Rücktritt gedroht, falls die ewigen Querelen nicht beendet werden. „Nach dem Treueschwur vom 2. Juni sind wir wieder in tiefste Tiefen zurückgefallen“, klagt nun Mares. „Ich habe zu Taktiererei keine Lust mehr. Dann muß eben ein sauberer Schnitt gemacht werden.“
Den Schnitt hat Mares bekommen. Sauber aber ist der nicht.
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