piwik no script img

„Der Polizeieinsatz war rechtswidrig“

■  Die Veranstalter der Demonstration gegen das öffentliche Gelöbnis kritisieren das Vorgehen der Polizei scharf. Diese hatte mit Gewalt den Lautsprecherwagen ausgeschaltet, weil das Gelöbnis durch den Lärm gestört wurde

Die Veranstalter, die PDS und die Tiergartener Grünen haben gestern das Vorgehen der Polizei bei der Demonstration gegen das öffentliche Gelöbnis im Bendlerblock scharf kritisiert. „Der Einsatz war eindeutig rechtswidrig“, sagte Ralf Siemens von der Kampagne gegen die Wehrpflicht. Ihr Rechtsanwalt Dieter Hummel sprach von einer „Aushöhlung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit bis auf die Knochen“.

Grund für die massive Kritik: Als es am Dienstag abend für die 430 Bundeswehrrekruten im Bendlerblock zum Schwur kam, wurde es bei der etwa 200 Meter entfernten Protestkundgebung besonders laut: Neben Pfiffen und „Mörder, Mörder!“-Rufen der rund 1.000 DemonstrantInnen ertönte vom Lautsprecherwagen das Geheul einer Sirene. Umgehend stürmte die Polizei den Wagen und zwang die Veranstalter, die Anlage abzuschalten. Kurz danach beschlagnahmten sie auch noch ein Megaphon. Ihre Begründung: Die Veranstalter hätten die vom Verwaltungsgericht bestätigte Auflage, die Lautstärke so zu regeln, daß sie das Gelöbnis nicht direkt beeinträchtigt, mißachtet.

„Die Auflage war, daß wir die Lautsprecher nicht in Richtung Gelöbnis drehen, und daran haben wir uns gehalten“, so Ralf Siemens von der Kampagne. Das Verwaltungsgericht habe auch gesagt, wenn sich die Bundeswehr in die Öffentlichkeit begebe, müsse sie sich auch Proteste gefallen lassen.

„Die Berliner Polizei scheint das Demonstrationsrecht so umbiegen zu wollen, daß nicht genehme Kundgebungen auch nicht mehr wahrnehmbar sind“, kritisierte der PDS-Abgeordnete Steffen Zillich, der bei den Auseinandersetzungen leicht verletzt wurde. Seine Parteifreundin Marion Seelig will Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Einsatzleiter einreichen, die Veranstalter werden den Polizeieinsatz höchstwahrscheinlich gerichtlich überprüfen lassen. Dennoch bewerteten sie die Proteste als Erfolg: „Es ist erstmals gelungen, ein öffentliches Gelöbnis durch phanatsievolle Einlagen zu verschönern.“

42 DemonstrantInnen wurden insgesamt im Polizeigewahrsam genommen, 18 von ihnen im Bendlerblock. Sie hatten zwischen den Rekruten auf nackten Oberkörpern und Regenschirmen gegen das Gelöbnis protestiert. Zwei der DemostrantInnen, die bei der Auseinandersetzung um den Lautsprecherwagen festgenommen wurden, waren bei Redaktionsschluß noch in Gewahrsam. Für eine Frau, der gefährliche Körperverletzung und schwerer Widerstand zur Last gelegt wird, hat die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl beantragt. Außerdem gab es eine Hausdurchsuchung.

Als „gesetzwidrig“ bezeichneten die Tiergartener Grünen gestern auch den Polizeieinsatz in einer Privatwohnung am Bendlerblock. Sie hatten dort ein Transparent mit der Aufschrift „Soldaten sind Mörder“ aus dem Fenster gehängt, das die Polizei umgehend unsanft beschlagnahmte. Sabine am Orde

Berichte Seite 4

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen