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Der undurchsichtige Stoffmulti

Altkleiderhändler Humana wird kritisiert, weil er Entwicklungsländern schaden soll und Züge einer Sekte hat. Der Konzern startete als linkes Reformprojekt    ■ Aus Berlin Thomas Klatt

Die alten Kleider der Deutschen sind nach wie vor sehr beliebt, denn mit ihnen läßt sich gut verdienen. Eine der prominentesten Firmen im Geschäft mit den alten Stoffen ist Humana. Humana betreibt derzeit in Deutschland knapp 20 Second-Hand-Läden, davon mehr als die Hälfte in Berlin. Die Läden mit gebrauchten Klamotten und Möbeln liegen meist an attraktiven Verkehrsknotenpunkten. Und das Unternehmen floriert.

Allein, wer oder was hinter Humana steckt, ist nur schwer zu ergründen. Denn das Unternehmen splittet sich heute in zwei kommerzielle GmbHs und eine gemeinnützige Kleidung für Entwicklung gGmbH mit Sitzen in Köln und Berlin, die für ihre Entwicklungshilfe in Afrika wirbt.

Das Deutsche Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI), auch „Spenden-TÜV“ genannt, überprüft seit über 100 Jahren karitative Organisationen. Doch Humana hat bis jetzt das „DZI-Spendensiegel“ als Unbedenklichkeitsempfehlung nicht erhalten. Burghardt Wilke vom DZI sagt auch, warum: „Die Unglaubwürdigkeit von Humana hat sich in letzter Zeit insofern verstärkt, als durch die Gründung der gGmbH und das Herausstellen der gemeinnützigen Tätigkeit für einen Käufer oder einen potentiellen Spender die Trennung zwischen kommerzieller Betätigung und der gemeinnützigen Betätigung noch schwerer zu unterscheiden ist.“

Das karitative Anliegen von Humana wird von Kennern und Kritikern wie dem Südwind-Institut aus Siegburg in Frage gestellt. Denn von Humana gesammelte Altkleider werden größtenteils mit überhöhtem Gewinn nach Polen weiterverschoben. Ein geringerer Teil der Altkleider wird zum Verkauf nach Afrika geschickt.

Entwicklungshilfegruppen oder Caritas-Berlin bezweifeln den Sinn solcher Kleiderverkäufe, denn damit wird der heimischen Textilindustrie in Afrika bleibender Schaden zugefügt. Allein 1995 verkauften die Humana-Läden laut Eigenangabe in Angola und Mosambik 1.840 Tonnen Kleidung. Das sind 5.700.000 Kleidungsstücke in Konkurrenz zur heimischen Textilindustrie. Damit werden massiv afrikanische Arbeitsplätze vernichtet.

Humana betreibt in Angola und Mosambik zwar einige Vorzeigeprojekte, doch der Großteil der Verkaufserlöse bleibt nicht im Land, sondern fließt wieder auf die Konten des Humana-Konzerns. Von da versickern die Humana-Millionen in eigene Kanäle, die nach Dänemark und auf verschiedene Karibikinseln führen.

Von Entwicklungshilfe ist dort allerdings keine Rede mehr. Denn hinter Humana steckt die dänische Tvind-Gruppe. Tvind begann in den 70ern als reformpädagogische Bewegung auf Jütland. Symbol des Aufbruchs war die Errichtung des ersten dänischen Windrades, das sich heute noch dreht.

Die großzügige finanzielle Unterstützung des dänischen Staates für die Tvind-Privatschulen ließen das Vermögen des Konzerns stetig anwachsen. Der Tvind-Gründer Amdi Petersen gab sich damals als bekennender Revolutionär chinesischer Prägung, dessen Ideologie er der Reformbewegung aufzwang. Doch heute lebt der Tvind- Chef Petersen für Journalisten unerreichbar im Verborgenen. Aus dem einstigen Maoist wurde ein bekennender Kapitalist.

Auch aus der Tvind-Idee ist nach 20 Jahren ein internationales Großunternehmen geworden, das die Gutgläubigkeit der Menschen ausnutzt. Tvind bereitet in einer vierjährigen Ausbildung sogenannte „Solidaritätsarbeiter“ für ihren Einsatz in Afrka vor. Geworben wird unter anderem auch an deutschen Hochschulen über die Schwarzen Bretter, durch Handzettel oder Zeitungsanzeigen. Das Schulgeld von ca. 900 DM monatlich müssen die Lernenden selber aufbringen oder sich bei Tvind leihen, wodurch sie oft in finanzielle und persönlich-psychische Abhängigkeit zum Konzern geraten. Immer wieder berichten Teilnehmer dieser „Ausbildung“ von Psychoterror und „Seelenstriptease“, die die Schüler über sich ergehen lassen müssen.

„Sicher scheint uns, daß es sich bei Tvind um eine Sekte handelt, wenn auch nicht mit einem religiösen Programm. Die Rolle der Religion hat offenbar eine politische Ideologie eingenommen. Aber sonst ist alles da, was eine Sekte auszeichnet: ein charismatischer Führer, ein Weltrettungskonzept, die totale Abschottung nach außen, die autoritäre Struktur und subtile Methoden der Bewußtseinskontrolle“, schreibt Frank Nordhausen in seinem neuen Buch „Psycho-Sekten“.

Viele Schüler bleiben trotzdem bis zuletzt in den Tvind-Schulen, weil sie sich auf die engagierte Entwicklungshilfe in Afrika freuen und so hoffen, dem Tvind-Psychoterror entkommen zu können. Hoch motiviert fahren die „Solidaritätsarbeiter“ nach Afrika, erleben dort aber oft ein böses Erwachen. Eine der ersten Tvind-Gruppen wurde 1986 ins kriegsverwüstete Angola geschickt. „Das Ganze wurde uns daheim als Bau einer Schule mit dem Kampf gegen die Apartheid als Ausgangspunkt geschildert“, berichtet der dänische Tvind-Aussteiger Thorsten Dahl Larsen. „Als wir uns eineinhalb Monate später in einigen alten verlassenen portugiesischen Basen notdürftig einrichten konnten, begannen wir plötzlich eine Menge Schiffscontainer mit gebrauchter Kleidung von UFF (dem skandinavischen Pendant zur deutschen Humana, d. Red.) zu erhalten ... Nun wurden wir angewiesen, diese Kleidung in den Dörfern und vom Bauplatz aus zu verkaufen. Wir hatten davon überhaupt nichts gewußt, bevor wir abreisten...“, schreibt Larsen. Der Tvind-Aussteiger resümiert: „Es ging mir auf, daß UFF sicher die eingesammelten Millionen nicht für Entwicklungshilfe verwendete!“

Tvind besitzt heute Unternehmen auf den Kanal- und Cayman-Inseln, Obstplantagen in der Karibik und mindestens eine Schifffahrtsgesellschaft. Viele der ehemaligen Tvind-Lehrer sitzen heute in Führungspositionen des Konzerns. Auch die Geschäftsführerin der deutschen Humana gGmbH, Julia Breitenstein, entstammt der Riege ehemaliger Tvind-Lehrer um den Gründer Petersen herum.

Viele Behörden sind mittlerweile auf den Tvind-Konzern aufmerksam geworden. Vor zwei Jahren hat Dänemark die Finanzierung der 32 Tvind-Schulen untersagt. In Schweden wurde bereits Anfang der 90er alle öffentliche Unterstützung zurückgezogen. Viele Kommunen haben die Humana-Kleidersammelcontainer verboten. Auch in Berlin sind diese nur noch in unmittelbarer Nähe der Humana-Second-Hand-Läden von der Stadtverwaltung geduldet. Die Sekten-Enquêtekommission des französischen Parlaments warnt vor dem Unternehmen. Die EU und Unicef haben sich von Humana distanziert, und die Interpol ermittelt gegen den Konzern.

Humana betreibt in Angola und Mosambik zwar Vorzeigeprojekte, doch der Großteil der Erlöse bleibt nicht im Land

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