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■ Die Kosovo-Roma und der Balkan-StabilitätspaktOhne Minderheiten kein Frieden

Neben dem wirtschaftlichen Wiederaufbau ist die Förderung von Demokratie und Menschenrechten der bedeutendste Aspekt des Balkan-Stabilitätspaktes. Doch obwohl die Unterstützung der Region, über die die westlichen Mächtigen morgen in Sarajevo diskutieren, ausdrücklich allen Menschen dort zugute kommen soll, steht zu befürchten, daß eine große Bevölkerungsgruppe ignoriert wird: die Roma.

Tatsächlich leben etwa im Kosovo nicht nur Albaner und Serben, wie von beiden Gruppen so gerne behauptet wird, sondern auch rund 100.000 Roma und „Ägypter“. Letztere sehen sich als eine eigenständige Ethnie, weil ihre Vorfahren einst aus Ägypten gekommen sein sollen; von Experten und vor allem den meisten anderen Bewohnern der Region werden sie jedoch als Roma angesehen. Seit Ende des Kosovo-Krieges ist es in vielen Städten zu Übergriffen gegen beide Gruppen gekommen. Unter den Augen der Nato-Schutztruppe KFOR werden Roma-Häuser niedergebrannt. Für die albanischen Täter genügt als Legitimation, daß „Zigeuner“ während des Krieges mit den Serben kollaboriert hätten.

Wenn KFOR ihre Stillhaltepolitik nicht ändert, dann wird – unter der Führung der UÇK und stillschweigend toleriert von der Staatengemeinschaft – ein „ethnisch reines“ Kosovo entstehen. Die Serben haben zumindest theoretisch die Möglichkeit, nach Serbien zu flüchten. Die Roma und Ägypter wird Serbien dagegen weder aufnehmen können noch wollen – genausowenig wie Westeuropa.

Die Reaktion Italiens ist da typisch: Weit über tausend Roma sind in den letzten Tagen aus dem Kosovo nach Süditalien geflohen. Die Regierung in Rom erklärte sie kurzerhand zu illegalen Einwanderern und bereitet nun ihre Abschiebung vor. Die EU könnte nun – im Rahmen des Stabilitätspaktes und der begleitenden Maßnahmen – ein Leben in Sicherheit für Roma vorantreiben. Das geeignetste Mittel wäre es, wirtschaftliche Unterstützung nur an Gemeinden zu vergeben, in die auch vertriebene Roma zurückkehren können, die auch die zerstörten Roma-Häuser wieder repariert und Roma in den neuen, lokalen Selbstverwaltungen beteiligt.

Dies müßten OSZE, UN und natürlich auch KFOR und die internationale Polizeitruppe überwachen. Und auch westliche Regierungen und Hilfsorganisationen, die im Kosovo tätig sind, sollten endlich zur Kenntnis nehmen, daß in der Provinz nicht nur Albaner und Serben, sondern auch Roma wohn(t)en, und diese verstärkt in ihre Hilfsmaßnahmen einschließen. Diejenigen Roma, die berechtigte Furcht vor einer Verfolgung im Kosovo haben, müssen als Flüchtlinge aufgenommen werden.

Das sind Maßnahmen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten – doch zeigt die Erfahrung in Bosnien-Herzegowina, daß sie es nicht sind. Dort wurden die Roma von der internationalen Staatengemeinschaft und den meisten Hilfsorganisationen einfach ignoriert. Die deutsche Regierung, die sich im Kosovo in den letzten Monaten als Verteidiger der Menschenrechte profilierte, hätte jetzt die Möglichkeit zu zeigen, daß ihr dieses Thema wirklich ernst ist. Immerhin wird Bonn bei der Umsetzung des Stabilitätspaktes federführend sein. Denn wie der tschechische Präsident Václav Havel einst sagte: Die Situation der Roma ist der Lackmustest für Demokratie und Menschenrechte einer jeden Gesellschaft. Solange sie nicht für Roma gelten, sind beide Begriffe nichts anderes als Phrasen oder Vorwand für andere politische Interessen. Stephan Müller

Der Autor lebt als Politikwissenschaftler in Wien und ist Berater des European Roma Human Right Center in Budapest

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