piwik no script img

Geld gegen offene Wunden

Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz DDR-Unrecht künftig besser entschädigen. Opferverbände beklagen weiterhin Schwachstellen  ■   Von Nick Reimer

Berlin (taz) – Auf der letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause hat die Bundesregierung gestern einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze beschlossen. „Ich hoffe, daß das Gesetz offene Wunden allmählich schließen wird“, erklärte Staatsminister Rolf Schwanitz, Gerhard Schröders Mann für den Osten.

Zentraler Baustein der Neuregelungen ist eine einheitliche Entschädigung für in der SBZ und der DDR politisch Gefangene. Alle sollen künftig 600 Mark pro Haftmonat erhalten. Bislang galt: Wer nach seiner Haft im Westen lebte, bekam 300 Mark, wer in die DDR entlassen wurde, 550 Mark pro Monat. Die Entschädigung für unrechtmäßig verbüßte Haft in der Bundesrepublik beträgt aber 600 Mark. Nach dem Gesetz sollen außerdem bislang völlig vergessene Opfergruppen, etwa Frauen, die von den Sowjets nach Kriegsende östlich der Oder in Arbeitslager verschleppt wurden, in die Entschädigungen einbezogen, die Leistungen für Hinterbliebene von Mauertoten und Haftopfern erhöht werden. Das Gesetz soll am 1. Januar 2000 in Kraft treten und wird Bund und Länder knapp 400 Millionen Mark kosten.

Trotzdem sehen Experten und Opferverbände Schwachstellen im Gesetzentwurf. Nicht alle Ansprüche sind nämlich im Gesetz festgeschrieben, sondern sollen über die Bonner Stiftung für politisch Verfolgte abgewickelt werden. Dadurch seien diese Ansprüche aber nicht einklagbar. Auch die Rentenfrage sei nur ungenügend geklärt.

Dem einstigen Bürgerrechtler Wolfgang Templin reichen Gesetze allein nicht aus. „Es fehlt der politische Wille, den Entschädigungsgesetzen auch Wirkung zu verleihen“, sagte er. Das 2. Rehabilitierungsgesetz der Ära Kohl sieht beispielsweise Entschädigung für berufliche Rückstellung vor. Diese sollen durch Fortbildungsmöglichkeiten oder eine Art „Bafög für Erwachsene“ kompensiert werden. „Kommt ein Betroffener aber zum Arbeitsamt, gibt es dort weder Kenntnis des Gesetzes noch Zuständigkeit oder Haushaltstitel“, so Templin. Außerdem läge die Beweispflicht für Nachteile immer bei den Betroffenen. „Es ist aber unmöglich, das heute noch nachzuweisen.“

Selbst Staatsminister Schwanitz räumt ein, daß es bei der Umsetzung der Gesetze Schwierigkeiten gibt. 95 Prozent der Anträge auf Anerkennung haftbedingter Gesundheitsschäden seien bisher abgelehnt worden, was dem tatsächlichen Ausmaß der Schäden nicht entspreche. Das will Schwanitz jetzt durch Fortbildungen der zuständigen Gutachter ändern. Dem Stacheldraht, Zeitung der ehedem politisch Verfolgten, sagte Schwanitz aber: „Wir können nicht alle Defizite, die durch unzureichende Rehabilitierungsgesetze in den letzten acht Jahren entstanden sind, kompensieren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen