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CSU schäumt über die sexy Demokratie

■  Nackte Männer in der Reichstagskuppel: Während Berliner und Touristen gelassen reagierten, sagen Politiker, die Kuppel sei zum „Lotterhaus“ verkommen. Organisatoren sehen unterschiedlichen Zweck in der Aktion

Posierende nackte Männer in der gläsernden Kuppel des Reichstagsgebäudes beschäftigen die Verwaltung des Deutschen Bundestages, nachdem ein Berliner Schwulen-Magazin die nackten Tatsachen eines spontanen Foto-Shootings veröffentlicht hatte. Inmitten der Touristenmassen rissen sich sechs junge Models ihre Klamotten vom Leib und nutzen den Schauplatz, um als schwule Männer „dem hohen Haus aufs Dach zu steigen“, so „Männer aktuell“-Chefredakteur Andreas Tölke.

Wenn Kanzler Schröder oder Umweltminister Trittin die Medien gebrauchten, und „durch Fotos in Kaschmir und 4.000 Mark teuren Anzügen für ihre Politik werben, dann können Schwule das erst recht“, fühlt sich Tölke als Sprachrohr homosexueller Bürger.

Für Fotograf und Initiator Manfred Schür war die Aktion in der Reichstagskuppel nur ein Highlight, nachdem das Sextett der Männer-Models nackt durch Berlin gezogen sei. Eigentlich als Werbekampagne für einen Fotoband geplant, lobte der Münchener „das ausschließlich normale, nette und freundliche Interesse“ der Passanten. Selbst die Polizei hätte an der Nacktheit keinen Anstoß genommen, sich nur um den stauenden Verkehr Sorgen gemacht.

Wolfgang Wiemer, Leiter der Bundestagspressestelle, reagierte auf die nackte Provokation: „Ich weiß nicht, ob ich mich ärgen oder lachen soll.“ Er wisse jedoch, daß das Foto-Shooting im Reichstagsgebäude würdelos sei.

Zum homoerotischen Striptease sagte Bundestagssprecherin Claudia Lenschow : „Gewerbliche Fotoaufnahmen sind verboten.“

Den jungen Männern droht nun ein Bußgeld, da es sich um eine Ordnungswidrigkeit handle.

Die sofortige Beschlagnahme der Aktaufnahmen, noch in der Kuppel, forderte Peter Ramsauer (CSU), Mitglied im Ältestenrat des Bundestages, und empörte sich, das Parlament dürfe „kein Lotterhaus“ werden.

Der hauseigene Polizei- und Sicherheitsdienst des Bundestages schritt erst nach einer Viertelstunde ein und habe sie „unglaublich moderat“ verhalten, lobte Chefredakteur Tölke das Wachpersonal, das für den Wiederholungsfall mit Hausverbot für die Kuppel drohte, wo Fotoaufnahmen „nur mit parlamentarischem Bezug“ erlaubt sind.

Dennoch wurde das bauliche Symbol für Transparenz und Offenheit der bundesrepublikanischen Politik schon einmal für die Aufnahme von Sexfotos genutzt. Der Sicherheitsdienst habe die Filme leicht bekleideter Mädchen damals konfisziert, so die Auskunft des Sprechers Wiemer. Diesmal kündigte er an, „Der Kollege, der das durchgehen ließ, wird sich warm anziehen müssen.“ Andreas Finke

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