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PDS robbt sich an neue Wählerschichten heran

■ Mit seinen „zwölf Thesen“ will Gregor Gysi der SPD Stimmen abjagen. Das Papier richtet sich auch an Gewerkschaften und Kirchen. Brie rechnet nicht mit schnellem Erfolg

Berlin (dpa) – Die SPD bietet seit Wochen mit ihrem Richtungsstreit eine hervorragende Angriffsfläche zur Profilierung – doch die PDS schwieg. Die Linkssozialisten schienen sich auf den Erfolgen bei der Bundestags- und im Juni bei den Europawahlen auszuruhen, bei denen sie erstmals über die Fünfprozenthürde gekommen waren. Die Parteispitzen erholten sich an der Ostsee oder in Sachsen vom Wahlkampf.

Nur ihr prominentester Vertreter nicht. Gregor Gysi, der bei jedem Wahlkampf für die PDS am meisten durch die Gegend tourt, setzte sich im heißen Berlin an den Computer. Gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler Michael Brie und anderen Mitarbeitern der Parteistiftung „Rosa Luxemburg“ entwickelte er „zwölf Thesen für eine Politik des modernen Sozialismus“, die heute offiziell vorgestellt werden sollen.

Unter dem Titel „Gerechtigkeit ist modern“ setzt die PDS einen Kontrapunkt zum Neue-Mitte-Kurs der SPD und nimmt statt dessen klassische sozialdemokratische Themen auf. Die Thesen sind eine verspätete Antwort auf das Schröder/Blair-Papier, das im Juni erschien. Eine geschickt platzierte Antwort allerdings mit Blick auf die Landtagswahlen im Herbst.

Die PDS bekennt auch, dass es ihr mit den Thesen darum geht, neue Wählerschichten zu erreichen. „Die Chancen, die sich für uns durch die Position von Schröder ergeben, wollen wir schon nutzen“, sagt Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Das Papier richte sich nicht nur an enttäuschte SPD-Anhänger, sondern auch an Gewerkschafter und Kirchen. Die PDS wolle in Zukunft „in vielen Fragen Positionen einnehmen, die die SPD aufgegeben hat“.

Die PDS hatte sich in der Vergangenheit allerdings schon oft vergeblich Hoffnungen gemacht, neue Wählerschichten für sich zu erschließen. Auch durch ihr Nein zum Kosovo-Krieg konnten sie ihre Wählerschichten nicht erheblich verbreitern. Wahlkampfmanager André Brie ist daher skeptisch. „Ich erwarte keine schnellen Erfolge“, meint der Europaabgeordnete. Dazu seien die kulturellen Barrieren noch zu hoch. Erst mittelfristig könne sich der Kurs auch in Wählerstimmen auszahlen. Wichtig sei aber, dass die Partei nun endlich einmal „Druck von links“ auf die SPD mache.

Intern treiben Gysi und seine Koautoren die Partei wieder vor sich her. Derzeit läuft in der PDS eine Programmdebatte, die im Jahr 2001 in die Verabschiedung neuer Leitsätze münden soll. Klar ist, dass die Vertreter des alten Denkens in der Partei – wie die Kommunistische Plattform und das Marxistische Forum – die Nase rümpfen werden. Sie werden aber nicht die einzigen sein. Gysi warnt ausdrücklich vor einem „Rückfall in eine Vor- oder Anti-Moderne“. Viele in der Partei wollten nämlich lieber auf dem beharren, was ihnen in der Vergangenheit lieb geworden sei, meint Brie. Ulrich Scharlack

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