piwik no script img

Rasengießen verboten

Eine Jahrhundertdürre trocknet den Osten der USA aus – Clinton verkündet Notstand in West Virginia  ■   Aus Washington Peter Tautfest

Der Hobbygärtner David Bartone aus Rockville, Maryland, hat aus der Not eine Tugend gemacht. Da sein Bundesstaat schon im dritten Jahr eine Jahrhundertdürre durchmacht, hat er gelernt, Wasser zu sparen. Über die ganze mittelatlantische Region von Pennsylvania bis Virginia erstreckt sich die Trockenheit. Bartones Dachrinne mündet in gleich mehrere Regentonnen und in einem versenkten Becken. Er fängt Tauwasser auf, hat eine Grauwasserleitung von Spül- und Waschmaschine in der Garten gelegt und hat schönere Tomaten als je zuvor.

Nicht so gut geht es Großgärtnereien und Farmern der Region, die nicht mehr wissen, woher sie ihr Wasser nehmen sollen, und den Hühnerzüchtern, denen die Futtermittelernte für ihre jährlich 600 Millionen Hühner auf dem Halm vertrocknet. Der Potomac, einer der großen Flüsse dieser Region, führte im Juni und Juli dieses Jahres nur ein Drittel des Wassers, das üblicherweise unter Washingtons Brücken hindurchfließt. Nicht anders ergeht es dem Delaware und dem Hudson sowie den anderen Flüssen, die in die Chesapeake Bay vor Washington münden. Dort wo ein großer Teil der Krusten- und Schalentiere für Amerika gefangen werden, steigen Wassertemperaturen und Salzgehalt: Muschelbänke, Krebse und Fische sterben zu Hunderttausenden. Im Hudson dringt Meerwasser in den Mündungsbereich des Flusses vor. Die landeinwärts wandernde salzige Spitze droht die Stelle zu erreichen, wo New York sein Wasser aus dem Fluß schöpft. Vier von fünf Messstellen, die der geologische Dienst in der mittelatlantischen Region eingerichtet hat, registrieren Tiefststände. „So niedrig ist der Grund- und Oberflächenwasserstand seit den Dürren von 1929 und 1966 nicht mehr gewesen“, urteilt Robert Hirsch, Chefhydrologe des US Geological Survey. „Wenn nicht bald Erleichterung kommt, wird dies die schlimmste Dürre des Jahrhunderts werden.“

Regen allein aber hat noch keiner Dürre ein Ende gesetzt. Amerikas Osten brütet seit zwei Monaten unter einer Hitzewelle, die sich allabendlich irgendwo im Lande in gewaltigen Gewittern entlädt mit Regentropfen so groß wie Frösche, die auf Pflaster oder Windschutzscheiben klatschen. „Das füllt nur hier oder da kurzfristig ein Flussbecken“, erklärt Hirsch. „Doch diese Dürre währt schon im dritten Jahr – was wir brauchten wären die Niederschläge von ein paar tropischen Stürmen der Kategorie Mitch.“ Joseph Hoffman, Direktor des Kommunalverbands Potomac Riverbasin ist ähnlich pessimistisch: „Es wird eine Generation dauern, bis die Schäden wieder ausgeglichen sind.“

Kritiker machen die zunehmende Zersiedelung der Region für die Dürre mitverantwortlich. Hoffman widerspricht. Zwar führe Versiegelung durch Parkplätze, Straßen und Häuser dazu, dass oft nur wenig Regenwasser dem Grundwasserspiegel wieder zugeleitet werden kann, „doch wir haben das Wachstum dieser Region ja geplant und eine entsprechende Infrastruktur geschaffen.“ Diese Vorsorgemaßnahmen haben zu einem Nutzungskonflikt ganz eigener Art geführt. Wasser aus den Reservoiren, die just für diesen Fall angelegt wurden, müsste jetzt eigentlich in die austrocknenden Flussbetten geleitet werden, um ein Fischsterben zu verhüten. Doch sind in und um diese Reservoire in den letzten Jahren Ökosystem eigener Art entstanden, die durch das Ablassen von Wasser in die Flüsse gefährdet würden.

Die meisten Bewohner der mittelatlantischen Region aber machen sich in erster Linie Sorgen um ihren Rasen, den sie nicht mehr sprengen sollen. Während Bill Clinton gestern in West Virginia den Notstand ausrief und ein Hilfsprogramm für die dürregeschädigten Farmer der Region verkündete, wird Maryland der erste Bundesstaat werden, der einen Wassernotstand ausrufen und Gartenbewässerung nur noch einmal die Woche zulassen wird.

Die Nahrungsmittel hingegen werden nicht teurer, eher noch billiger, denn der Mittlere Westen, Amerikas Brotkorb, der unter einer Hitzewelle stöhnt, die schon an die 200 Todesopfer gekostet hat, hat ausreichend Wasserreserven. Rekordernten werden erwartet, die die Preise weiter drücken werden.

„Wenn nicht bald eine Erleichterung kommt, wird dies die schlimmste Dürre des Jahrhunderts werden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen