: Ladenschluss und kein Ende
■ Wirtschaftsminister der Länder plädieren parteiübergreifend für die Abschaffung des Ladenschlussgesetzes. Einzelhandelsverband hält an freiem Sonntag fest
Berlin (taz/dpa/rtr) – Der Streit um das Ladenschlussgesetz ist seit dem „verkaufsoffenen Sonntag“ in Ostdeutschland wieder in vollem Gange. Dabei gibt es zwischen den beiden Extrempositionen – kompromisslose Streichung versus kompromisslose Beibehaltung des bundesweit gültigen Ladenschlussgesetzes – auch Kompromissvorschläge: So will eine vom Berliner Senat ausgehende Bundesratsinitiative für wochentags und samstags Ladenöffnungszeiten von 6 bis 22 Uhr.
FDP-Politiker wie Wolfgang Gerhardt und Günter Rexrodt und CDU-Politiker wie Sachsens Wirtschaftsminister Kajo Schommer, aber auch Minister aus sozialdemokratisch regierten Ländern fordern, es solle den Ladenbesitzern überlassen bleiben, wann und wie lange sie ihre Geschäfte öffnen. Der niedersächsische Ministerpräsident Peter Fischer (SPD) prophezeite, das Ladenschlussgesetz werde bis zur Jahreswende in ganz Deutschland fallen. „In der Marktwirtschaft hat der Wunsch des Verbrauchers Vorrang.“ Ein Sprecher des Bundesvorstands mittelständische Wirtschaft bezeichnete das Gesetz gar als „Relikt aus dem vorigen Jahrhundert“.
Dagegen plädiert der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Holger Wenzel, zwar auch für eine generelle Ausweitung der Öffnungszeiten von Montag bis Samstag, kündigt aber an: „Den freien Sonntag werden wir mit Klauen und Zähnen verteidigen.“ Bei einem freien Sonntagsverkauf bleibe vor allem der mittelständische Facheinzelhandel in den Kleinstädten auf der Strecke, und der Konzentrationsprozess auf die grosen Verkaufszentren werde weiter angeheizt, befürchtet Wenzel. Die seit dem 1. November 1996 geltende Regelung, die den Geschäften Öffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr an Wochentagen und bis 16 Uhr an Samstagen erlaubt, sei ausreichend, der Wettbewerb funktioniere zum Nutzen der Verbraucher.
Das Problem sieht Wenzel vielmehr im Missbrauch der Ausnahmeregelungen. Denn das Ladenschlussgesetz erlaubt es Bade- und Kurorten, ihre Geschäfte auch sonntags bis zu acht Stunden lang zu öffnen: „Die Einzelheiten der Ausnahmeregelungen obliegen der Länderregierung.“ Die Berliner Regierung gestattet den Sonntagsverkauf für touristischen Bedarf. Auf eine Interpretation, die diese Formulierung zulässt, setzte der Ostberliner Kaufhof, als er am Sonntag kurzerhand sein gesamtes Warenangebot als „Berliner Souvenir“ kennzeichnete und den Alexanderplatz zum Erholungsgebiet erklärte.
In Sachsen und Sachsen-Anhalt hat die Freizügigkeit, mit der das Bundesgesetz ausgelegt wird, bereits einen Dominoeffekt ausgelöst: Nach Dessau und Halle, die ihren Sonntagsverkauf mit der Konkurrenz in Leipzig begründeten, sollen nächsten Sonntag auch die Magdeburger die Möglichkeit zum Einkaufsbummel haben – und zwar in ihrer eigenen Stadt. Andernfalls müsse Magdeburg mit einer Kaufkraftabwanderung von rund 80 Millionen Mark jährlich rechnen, befürchtet der Sprecher der Interessengemeinschaft Innenstadt, Axel Dierwald.
Kritisiert wird die Ausweitung der Ladenschlusszeiten hingegen von Kirchen und Gewerkschaften. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Margret Mönin-Raane, sprach von einer „Verlotterung der Sitten“. Auch Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm erklärte, der Sonntag sei zu wertvoll, um ihm dem Kommerz unterzuordnen. Die Kirchen kündigten an, sich gegen die Ladenöffnung am Sonntag zu wehren. kk
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