: Früher oder später kommt das Britenbeef doch
■ Minister beschließen kleinen Regelverstoß, um deutschen Exportbann noch ein wenig aufrechtzuerhalten. Doch das britische Fleisch kommt auf Umwegen nach Deutschland
Berlin (taz) – Sie kommen endgültig wieder, die feinen britischen Rindernackensteaks. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Das Zieren der Gesundheitsminister von Bund und Ländern beim Umsetzen der EU-Richtlinie dient dabei vor allem der Beruhigung der Öffentlichkeit. Wenn Spanien oder Holland britisches Rindfleisch importieren, es weiterverarbeiten und die Produkte nach Deutschland liefern, kann man ohnehin wenig dagegen tun. Da nutzt das deutsche Einfuhrverbot nichts. Das musste gestern auch die grüne Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer auf der Pressekonferenz in Berlin einräumen.
So nützt es also nicht allzu viel, dass sich Andrea Fischer und ihre Kollegen aus den Bundesländern einig waren, die EU-Richtlinie, die eine Aufhebung des Exportverbots gegen Großbritiannien vorsieht, so lange wie möglich zu verzögern – ohne einen Rechtstreit zu provozieren.
Eigentlich ist der Exportstopp für britisches Rindfleisch seit dem 1. August von der EU teilweise aufgehoben. Seitdem darf knochenfreies Fleisch wieder auf den Kontinent, wenn es von Tieren stammt, die zwischen 6 und 30 Monate alt waren.
Die Deutschen hatten allerdings eine eigene Verordnung gegen britisches Rindfleisch erlassen. Die muss erst vom Bundesrat aufgehoben werden, bevor Metzger die englischen Filets verkaufen dürfen. Vor Ende September wird das ohnehin nichts, weil die Länderkammer dann erst wieder turnusmäßig tagt. Wenn man nun noch Gespräche mit der Kommission verlangt, dauert es noch länger, weil die neue Kommission erst ab Oktober ansprechbar ist.
Das deutsche Beispiel machte schon Schule: Die französische Regierung verkündete gestern, ihr Erlass zur Aufhebung des Verbots werde ebenfalls nicht vor Ende August fertig.
Lobbyverbände der Bauern und der Nahrungsmittelindustrie auf dem Kontinent hätten am liebsten das Exportverbot bis zum St.-Nimmerleins-Tag verlängert gesehen. Nachdem die Verbaucher langsam wieder Rindfleisch in den alten Mengen konsumieren, fürchten Bauern und Fleischhändler nun ein Wiederaufleben der Diskussion um die Sicherheit des in der Europäischen Union verkauften Rindfleisches.
Und Wissenschaftler haben denn auch schon vor dem Fleisch gewarnt. „Das Exportverbot wurde zu früh aufgehoben“, sagte der Leiter der BSE-Projektgruppe am Berliner Robert-Koch-Institut, Michael Baier. Der Neuropathologe und BSE-Spezialist Hans Kretschmar an der Universität Göttingen sagte, das Ende des Verbots lasse sich nicht dadurch rechtfertigen, dass an britische Rinder, die jünger als 30 Monate seien, kein Tiermehl mehr verfüttert werde. In Großbritannien erkrankten zur Zeit immer noch 250 Rinder pro Monat. Darunter seien immer mehr Tiere, die sich nicht über Tiermehl, sondern auf bisher unbekannten Wegen infiziert hätten.
„Es ist zu forsch zu sagen, alles ist ganz sicher“, sagte Kretschmar. „Wir verstehen vieles von dieser Krankheit noch nicht.“ Es könne noch keine Entwarnung für das Ansteckungsrisiko von Menschen geben. Allerdings war das jüngste in diesem Jahr befallene Tier in Großbritannien 39 Monate alt, also ein Dreivierteljahr älter, als die Altersobergrenze für den Rindfleischexport liegt.
Durch die von der EU-Kommission jetzt zugelassenen Schnelltests für Schlachtvieh lässt sich nach Ansicht der Wissenschaftler die BSE-Infektion keinesfalls sicher nachweisen. Vor allem bei jungen Tieren sei der Test unzuverlässig, da er erst ab einer gewissen Anzahl von Krankheitserregen reagiert, so verschiedene Forscher. Auch Baier vom Robert-Koch-Institut betonte, dass sich die BSE-Infektion mit dem Test erst rund ein halbes Jahr vor Ausbruch der Krankheit nachweisen lasse. Außerdem kostet der Test etwa 50 Mark pro Rind – was die Fleischindustrie kaum freiwillig zahlen würde. Reiner Metzger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen