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S-Bahn-Sturz nach rassistischem Angriff?

■  Polnischer Punk stürzte auf die Gleise und wurde von einem Zug überrollt. Bauarbeiter soll ihn zuvor bedroht und geschlagen haben

Die Schlägerei auf einem S-Bahnhof, bei der ein polnischer Punk schwer verletzt worden ist, hat möglicherweise einen ausländerfeindlichen Hintergrund. Von dem Opfer ist bisher nur sein Straßenname „Christian“ bekannt.

Am Abend des 26. Juli war der etwa 18-Jährige im S-Bahnhof Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg auf die Gleise gestürzt und unmittelbar danach von einem einfahrenden Zug überrollt worden. Der Jugendliche liegt seither im Koma. Er verlor ein Bein und einen Arm und trug schwere innere Verletzungen davon.

Nach Darstellung der Polizei hatten zuvor fünf Punker auf dem Bahnsteig „ohne Grund eine Gruppe von Bauarbeitern angepöbelt“. Diese seien nicht auf die Provokation eingegangen. „Einer der Männer zerrte einen Bauarbeiter am Hemd und geriet dabei immer näher an die Bahnsteigkante“, heißt es in der Polizeimitteilung weiter. „Als er den Mann losließ, verlor er das Gleichgewicht und stürzte vor den S-Bahn-Zug.“

Nach Darstellung eines Augenzeugen hat der Sturz jedoch eine völlig andere Vorgeschichte. Sie seien schon in einer S-Bahn von drei Bauarbeitern „angemacht“ worden, sagte einer der Punks, der 18-jährige Flo*, gegenüber der taz. Man habe sie als „Scheiß-Zekken“ beschimpft, die sich aus der Bahn „verpissen“ sollten. Als der später Verletzte einen Satz auf Polnisch sagte, habe ein Bauarbeiter gerufen: „Polackenpack hat in einer Bahn nichts zu suchen, in der ich auch bin.“ Auf dem Bahnhof Schönhauser Allee sei eine Schaffnerin „wegen des Gebrülls“ hinzugekomen. Daraufhin seien die Bauarbeiter ausgestiegen.

„Wir sind weitergefahren“, erklärte Flo, „schon um Stress zu vermeiden.“ Eine Station weiter seien sie von der Polizei kontrolliert worden. Als sie wenig später den S-Bahnhof Greifswalder Straße erreichten, seien sie den Bauarbeitern erneut begegnet. Einer von ihnen habe Christian mit einer Ratsche, einem Werkzeug für Gerüstbauer, bedroht und mit der Faust ins Gesicht geschlagen, es kam zwischen den beiden zu einer Prügelei. „Wir sind nicht eingeschritten, weil wir das für einen Kampf eins gegen eins hielten“, berichtete Flo. Wenige Meter vor den Gleisen sei Christian von dem Bauarbeiter mit der Ratsche geschlagen worden und benommen auf die Gleise gestürzt. S-Bahn-Mitarbeiter hätten erst eingegriffen, als die Punks sich auf den flüchtenden Arbeiter stürzen wollten.

„Uns ist bekannt, daß die Punks versuchen, die Sache anders darzustellen“, erklärte Polizeisprecher Norbert Gunkel. Die Version der Bauarbeiter sei jedoch von verschiedenen Seiten – Bahnpersonal und Fahrgästen – bestätigt worden. Da der Sturz nach bisherigem Ermittlungsstand nicht justiziabel sei, werde gegen den Bauarbeiter auch nicht ermittelt. Ein Verfahren wegen Körperverletzung laufe nur gegen einen der Punks.

Ein Mitarbeiter des „Karuna-Mobil am Alex“, einer Anlaufstelle für jugendliche Obdachlose, hält Flos Aussage jedoch für glaubhaft. Er habe mit insgesamt drei der Punks gesprochen, ihre Aussagen würden sich decken und ein realistisches Bild abgeben. Er habe Flo daher bei seiner Aussage am vergangenen Donnerstag zur Polizei begleitet. Am Samstag findet ab S-Bahnhof Prenzlauer Allee um 16 Uhr eine Demonstration statt. Gereon Asmuth

*Name der Redaktion bekannt

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