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Eine Mücke, die Elefant sein will

■  Im Wahlkampf meckern Parteien gern, wenn sie sich im öffentlichen Rundfunk zu wenig beachtet fühlen. In Brandenburg beklagt sich gar eine dort vergessene Gruppierung: die FDP

Die Redaktion des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg kann sich auf eine schöne Elefantenrunde freuen. Beim Talk am 2. September, drei Tage vor der Landtagswahl, sollen keine Provinzler auftreten. Die Spitzenkandidaten der drei im Landtag vertretenen Parteien sind nämlich bundesweit bekannt: Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) wurde durch seine Stasi-Skandale berühmt, Lothar Bisky von der PDS ist gleichzeitig deren Bundesvorsitzender, und die CDU schickt den Ex-General Jörg Schönbohm, der als Berliner Innensenator in der Rolle des Radikalen alle Linken der Republik begeisterte. Ein viel versprechendes Trio.

Nun gibt es aber einen Mann in Brandenburg, der die Zusammensetzung so nicht in Ordnung finden kann: Hinrich Enderlein, Landeschef und Spitzenkandidat der FDP. Der 58-jährige denkt, dass „ich etwas Vernünftiges beitragen kann“. Der ORB aber schert sich darum nicht und will Enderlein nicht einladen. „Das mache ich nicht mit“, schimpft der Liberale und droht gar mit einer Klage. „Ausgewogenheit“, „ARD-Absprachen“, „undemokratisch“: „Das packen wir alles auf den Tisch!“

Zwar ist es in Deutschland nichts Neues, dass die Parteien beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen mitreden. In den Kontrollgremien spielen sich Parteifunktionäre als verhinderte Chefredakteure auf. Und bei Talkrunden ist es oft nicht so wichtig, dass die Gäste farblose Langweiler sind, wenn nur der Proporz gewahrt wird. In Bayern ging die FDP letztes Jahr sogar vors Oberste Verwaltungsgericht, um in der Elefantenrunde dabei zu sein – allerdings vergeblich. Der Brandenburger Fall liegt etwas anders. Neu ist nämlich, dass eine Partei mekkert, die in dem Land eigentlich vergessen ist. Wohl auch von ORB-Redaktionschef Jost Bösenberg. Enderlein ärgerlich: „Der hat gesagt: Sie sind zu klein.“ Dabei rechnet Enderlein am 5. September mit glänzenden 7,5 Prozent. Freilich hat der ORB wohl eher auf alte Zahlen geschaut. Auf die 2,2 Prozent, die Enderleins FDP 1994 aus dem Potsdamer Landtag katapultierten. Oder die 2,3 von der Europawahl im Juni. Oder das einsame Prozent, das Infratest vergangen Monat ermittelte. „Das kann rechtlich kein Kriterium sein“, erwidert Enderlein: „Der Bundestag muss das Kritierium sein“. In dem sitze die FDP.

Erzürnt rief Enderlein diese Woche ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer an, der auch Moderator der Elefantenrunde sein wird. Der sei zugeknöpft bis oben hin gewesen, berichtet der FDP-Mann ärgerlich. Zog sich auf Umfragen zurück, der Rosenbauer. „Auf Umfragen kann man sowieso nicht bauen“, hat ihm der in diesen Dingen erfahrene Enderlein entgegnet. Der Intendant erklärte, es gehe in der Sendung ja um die vergangene Legislaturperiode. Da hätte die FDP nicht im Landtag gesessen. Das findet nun wieder Enderlein „dermaßen albern“, weil die FDP ja deshalb schon die ganze Zeit quasi vom TV ausgeschlossen war. „Und jetzt schmieren die uns das wieder aufs Butterbrot.“ Schönbohm sei ja all die Jahre auch nicht in Potsdam gewesen, sondern in Berlin.

Der ORB kommt offenbar nicht auf die Idee, einfach zu sagen, was in Deutschland für den Rundfunk gilt. Dass der nämlich frei und damit unabhängig ist. Er hat vielmehr Enderlein zu einer anderen Runde einen Tag vor dem Elefantentreffen eingeladen. Da dürfen die kleinen Parteien auch mitmachen. FDP-Enderlein bringt das noch mehr in Rage. Da komme nur die „zweite Garnitur“.

Vielleicht gäbe es doch noch eine Möglichkeit. Stolpe hat nämlich Terminschwierigkeiten: „Wir bemühen uns“, sagte gestern ein Regierungssprecher. Falls es nicht klappt, hätte Brandeburgs FDP schon einen hochmotivierten Ersatzmann parat. Georg Löwisch

Stolpe, Bisky, Schönbohm und ... Enderlein? „Der ORB hat gesagt: Sie sind zu klein“, ärgert sich der FDP-Spitzenmann

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