Knappe ABM-Löhne dienen dem Sozialstaat

■ IG Metall verliert Klage vor dem Verfassungsgericht gegen das „Lohnabstandsgebot“

Freiburg (taz) – Der Lohn für ABM-Kräfte darf gesetzlich auf 80 Prozent des Tariflohns begrenzt werden. Dies entschied in einem gestern bekanntgemachten Beschluss der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts und wies damit eine Beschwerde der IG Metall ab.

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sollen dazu dienen, dass Arbeitslose wieder berufliche Praxis erhalten und leichter vermittelbar sind. Die Bundesanstalt für Arbeit bezuschusst solche Maßnahmen mit 50 bis 100 Prozent des Lohnanteils. Derzeit gibt es knapp 300.000 solch subventionierte Jobs. Seit Anfang der 90er Jahre wurden Zuschüsse nur noch geleistet, wenn der ABM-Lohn 10 Prozent unter Tarif liegt, später wurde das „Lohnabstandsgebot“ auf 20 Prozent erhöht. Wenn ein Arbeitgeber mehr zahlte, setzte er die Zuschüsse aufs Spiel.

Begründet wurde diese Praxis mit zwei Argumenten: Zum einen sollten so mehr ABM-Stellen gefördert werden. Zum anderen hielt man die untertarifliche Bezahlung für einen Anreiz, dass sich ABM-Kräfte schnell einen Job auf dem normalen Arbeitsmarkt suchen.

Durch diese Praxis sah die IG Metall 1993 ihre gewerkschaftlichen Rechte gefährdet. Wenn der Staat die Lohnhöhe vorgebe, dann bleibe einer Gewerkschaft bei staatlichen Beschäftigungsgesellschaften kein Verhandlunsgspielraum. Das Verfassungsgericht räumte ein, dass die Lohnabstandsklausel Gewerkschafts-Rechte beeinträchtige. Dies sei aber durch das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt. Bei hoher Arbeitslosigkeit sei die Schaffung von Arbeitsplätzen ein„hochrangiges soziales Anliegen“.

Eine Korrektur an der bisherigen Praxis hat die neue rot-grüne Mehrheit bereits vorgenommen. Seit 1. August werden ABM-Zuschüsse in Strukturanpassungsmaßnahmen zugunsten ökologischer und sozialer Ziele nicht mehr gekürzt, auch wenn Arbeitgeber Tariflohn zahlen. (Az: 1 BvR 2203/93) Christian Rath