: SPD-Steuerleute bereuen
■ Simonis und Struck ziehen abweichende Vorschläge zurück. Fiasko bei Wahlen?
Berlin (AP/Reuters/taz) – Die SPD nimmt ihre abtrünnigen Steuerexperten an die Leine. Die schleswig-holsteinische SPD will dem Vernehmen nach auf ihren angekündigten Vorstoß zur Wiedereinführung der Vermögensteuer verzichten. Für den Vorschlag gebe es keine Mehrheit unter den Bundesländern, sagte gestern der Vorsitzende der Kieler SPD-Landtagsfraktion, Lothar Hay. Damit ist die Initiative der aus der Reihe tanzenden Ministerpräsidentin Simonis (SPD) vom Tisch. Sie hatte angekündigt, die 1997 ausgelaufene Steuer auf Vermögen wieder einführen zu wollen, weil es sozial angemessen sei und 100 Millionen Mark in die Landeskasse bringe.
SPD-Fraktionschef Peter Struck wählte eine trotzigere Variante des Rückzugs. Er legt im morgigen Stern zwar seinen Vorschlag einer Simpel-Steuer mit drei Steuersätzen zu 15, 25 und 35 Prozent zu den Akten. Aber er forderte seine Partei gleichzeitig auf, bei der Reform der Einkommensteuer mit der sozialdemokratischen Umverteilungspolitik zu brechen. Strucks Vorstoß hatte Kopfschütteln bei den Parteigranden ausgelöst, die gerade die größte Steuerreform seit Gründung der Bundesrepublik begonnen haben. Die propagandistische Wirkung dieses Mammutwerks hatte der Fraktionschef mit seiner nur dreistufigen Steuer erledigt.
Die alte Position einer Arbeiterpartei „Von den Reichen nehmen, um den Armen zu geben“ könne nicht die Politik in einer modernen Gesellschaft sein, sagte er in dem vorab veröffentlichten Interview. Trotz heftiger innerparteilicher Kritik forderte Struck erneut eine radikale Steuerreform.
Das Sommertheater der SPD könnte nach Ansicht des Meinungsforschers Dieter Walz vom Bielefelder Emnid-Institut in einem Fiasko bei den bevorstehenden Landtagswahlen enden. Der Wähler werde hin- und hergerissen zwischen Sparzwang und Sozialstaatsanspruch. Walz ist überzeugt, dass das schlechte Image der SPD voll durchschlage. „Dieser Effekt ist um so größer, je unzufriedener die Leute sind“.
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