: Ein „Anfangsverdacht“ reicht aus
■ Ein Inserat, in dem Original-Computerspiele zum Verkauf angeboten wurden, brachte einer Frau eine Hausdurchsuchung ein. Doch die Anschuldigungen erwiesen sich als gegenstandslos. Wer mehrmals announciert, ist schon verdächtig
Angelika Hausmann* ist unschuldig. Ganze drei Monate stand die Frau, die bei einem Berliner Anzeigenblatt arbeitet, im Visier der Strafverfolgungsbehörden. Der Vorwurf: Verdacht auf Software-Piraterie. Der Eifer der Ermittler, die dem gewerblichen Vertrieb von Raubkopien nachspüren, brachte ihr sogar eine polizeiliche Hausdurchsuchung ein. Jetzt haben sich die Anschuldigungen als komplett gegenstandslos herausgestellt. „Die Staatsanwaltschaft wird das Verfahren demnächst einstellen“, gestand gestern ein Sprecher der Polizei.
Angelika Hausmann will die Sache dennoch nicht auf sich beruhen lassen. Sie erwägt rechtliche Schritte. Zu groß ist ihre Angst, trotz der Gegenstandslosigkeit der Ermittlungen gespeichert zu sein. „Ich will gegen den Richter vorgehen, der den Durchsuchungsbefehl unterschrieben hat“, sagt sie. Ihr Ärger ist verständlich. Allein die mehrmalige Schaltung von Inseraten über mehrere Monate, in denen Hausmann „Original-Computerspiele“ älteren Datums zum Verkauf angeboten hatte, reichte aus, um die Aufmerksamkeit der zuständigen Polizeibehörde auf sich zu ziehen. Diese leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Vor zwei Wochen schließlich klingelte es am frühen Morgen bei Hausmann an der Tür: Hausdurchsuchung. Die Beamten stellten die Wohnung auf den Kopf und beschlagnahmten – nichts. „Wir haben nichts gefunden, was auf einen Verstoß gegen das Urheberrecht hindeuten würde“, lautet die Bilanz der Ermittlungsbehörden.
Dieses Vorgehen der Polizei ist kein Einzelfall. Die Erfolge dieser Strafverfolgungspraxis sind demgegenüber mäßig. Bei gerade einmal 37 Beschuldigten gelang es den Polizisten in der Hauptstadt im vergangenen Jahr, ihren Verdacht zu erhärten. 1997 waren es sogar nur 25. Bei der privaten Software-Piraterie sind die Ergebnisse ebenfalls dürftig. Die Dunkelziffer schätzt die Polizei wesentlich höher ein.
Ermittlungen, die wie bei Hausmann nur auf einer dünnen Verdachtsbasis beruhen, sind dabei keine Seltenheit. Ein Sprecher der Polizei bestätigte gegenüber der taz: Bei sogenannten Vielfach-Anbietern, also Personen, die mehrmals per Inserat für den Verkauf von Produkten der gleichen Kategorie werben, bestehe ein Anfangsverdacht. Um auf diese Personen zu stoßen, würden Zeitungen wie die Zweite Hand systematisch ausgewertet. „Da wird auch viel angeboten, was nicht legal ist“, so der Sprecher weiter. Auch Hinweise aus der Bevölkerung würden geprüft und könnten, wenn sie als „glaubwürdig“ eingestuft würden, ein Ermittlungsverfahren zur Folge haben. In manchen Fällen geben sich dann Polizeibeamte – ausgestattet mit einer Legende – als potentielle Käufer aus. Aber auch strafprozessuale Maßnahmen wie das Durchsuchen von Wohnungen seien keine Seltenheit. „Eine Durchsuchung kann sowohl be- als auch entlastend sein“, erklärte der Polizeisprecher.
Angelika Hausmann empfand die Maßnahme, die offenbar mehr auf bloßen Mutmaßungen als auf Fakten beruhte, dann doch eher als belastend. Weil die polizeilichen Ermittlungen gegen sie auch an ihrer Arbeitsstelle kein Geheimnis blieben, fürchtet sie jetzt berufliche Nachteile, trotz erwiesener Unschuld. Andreas Spannbauer
*Name von der Redaktion geändert
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