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Scharping hat keine Lust auf Verbrecherjagd

■ „Bild“ berichtet, der höchste deutsche Soldat liebäugele mit Inlandseinsätzen der Bundeswehr. General und Minister bestreiten. Grünenpolitiker nennt Dementi plausibel

Berlin (taz) – Die Bundeswehr wird nach den Worten von Verteidigungsminister Rudolf Scharping künftig nicht im Kampf gegen organisierte Kriminalität, Terroristen oder zur Grenzsicherung eingesetzt. Scharping sowie Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach wiesen gestern einen entsprechenden Bild-Bericht zurück.

„Bundeswehr soll Verbrecher jagen!“, hatte Bild gemeldet und berief sich auf Aussagen des Generals, die er im Mai in Berlin vor der neuen Wehrstrukturkommission gemacht habe.Kirchbach, oft als „Held der Oderflut“ betitelt, hielt dort einen Vortrag vor 21 Kommissionsmitgliedern aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Bundeswehr müsse auch künftig „aus Kräften zur Wahrnehmung von Überwachungs- und Einsatzaufgaben im Frieden innerhalb Deutschlands“ bestehen, wird der General zitiert. Dazu erklärte er, er habe hoheitliche Aufgaben zur „Luftraumüberwachung im Rahmen der integrierten Luftraumverteidigung“ gemeint. Um Bundeswehreinsätze zur Unterstützung von Polizei und Grenzschutz gehe es nicht. Der Zeitungsbericht stützt sich zudem auf eine Risikoanalyse im Vortrag des Generals: Eine existentielle Bedrohung durch eine groß angelegte Aggression sei sehr unwahrscheinlich. „Ökonomische, ethnische, religiöse oder ökologisch verursachte Spannungen, organisiserte Kriminalität und terroristische Aktivitäten nichtstaatlicher Akteure können gleichwohl die Stabilität gefährden.“

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, der General habe in der Analyse nur die Faktoren dargestellt, die Stabilität gefährden können. „Damit hat er keinesfalls gesagt, dass die Bundeswehr für die Bekämpfung oder Vermeidung all dieser Risiken zuständig sei.“ Grünen-Politiker Winfried Nachtwei, Mitglied im Verteidigungsausschuss, hält dies für plausibel: „Das steht in allen Risikoanalysen drin.“ Auch der erste Satz sei – auf die intergrierte Luftverteidigung bezogen – „Alltag“. „So wie ich Kirchbach kenne, neigt er auch nicht zu Parforce-Ritten.“ Da die Bundeswehr über Überlastung klage, sei alles andere ohnehin abwegig.

Die Regierung kann im Frieden laut Grundgesetz neben dem Einsatz bei Naturkatastrophen das Militär nur „zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“ einsetzen. 1994 hatte CDU-Chef Schäuble vergeblich Inlandseinsätze als neue Aufgabe gefordert. löw

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