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Fischer sagt Ärzten den Kampf an

■  Grüne Gesundheitsministerin will „Notprogramm“ verbieten. Kassenärzte wollen dagegen klagen. Beide Seiten schieben sich die Schuld an den Budgetüberschreitungen zu

Köln (dpa) – Zwischen Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und der Kassenärztlichen Bundesvereingigung (KBV) droht eine Machtprobe. Fischer will das von der KBV geplante „Notprogramm“ gegen eine Überschreitung des Arznei- und Heilmittelbudgets notfalls verbieten. Die KBV kündigte an, gegen ein Verbot klagen und das Programm vor Gericht durchfechten zu wollen. „Das Notprogramm ist absolut rechtskonform“, sagte der stellvertretende KBV-Geschäftsführer Lothar Krimmel.

Fischer drohte „aufsichtsrechtliche Maßnahmen“ an, sollte die KBV den Ärzten tatsächlich „Wartelisten“ für nicht zwingend notwendige Mittel und „Notrezepte“ empfehlen. Dies sei nicht akzeptabel und rechtlich unzulässig, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Sie hoffe aber noch auf eine gütliche Einigung.

Fischer warf den Ärzten vor, im ersten Halbjahr 1999 zu viele und zu teure Medikamente verordnet und so die Budgetprobleme selbst verschuldet zu haben. So hätten die Ärzte für 630 Millionen Mark Mittel verordnet, die „bereits heute nicht mehr verordnungsfähig sind“. Die KBV nannte die „Zahl völlig aus der Luft gegriffen“ und forderte Fischer auf, diesen Vorwurf zu belegen. Bei den 630 Millionen Mark handele es sich um eine Zahl aus dem Gesamtjahr 1998, die zudem fragwürdig sei.

„Wir wollen mit dem Notprogramm das Budget im ambulanten Bereich ernsthaft einhalten“, sagte Krimmel. Der KBV-Vorsitzende Winfried Schorre hatte zuvor versichert, Kranke erhielten weiter alles Notwendige. Ziel der KBV sei, „das medizinisch Notwendige zu sichern“ und dort zu sparen, „wo es medizinisch vertretbar“ sei. Auf Grund des begrenzten Geldes müssten die Ärzte aber strenger auslegen, was notwendig sei. Die Budgets seien zu eng bemessen, kritisierte die KBV. So habe Fischer den Kostenschub durch neue, teure Arzneien, die höhere Mehrwertsteuer und andere Ausgabeneffekte nicht berücksichtigt. Die KBV stufte die Kollektivhaftung der Ärzte für das Budget als verfassungswidrig ein.

Fischer hat die Ausgaben für Arzneien und Heilmittel 1999 auf knapp 39 Milliarden Mark begrenzt. Verschreiben die Ärzte mehr, soll ihnen pauschal das Honorar gekürzt werden, egal ob der einzelne Mediziner sparsam oder großzügig verordnet hat. Die Regress-Summe ist auf fünf Prozent begrenzt. Laut KBV drohen einzelnen Ärzten Honorareinbußen je nach Region bis 20.000 Mark.

Nach KBV-Prognosen werden die Budgets in 20 der 23 Kassenärztlichen Vereinigungennicht reichen. Die KBV will mit dem „Notprogramm“ gegensteuern und den Ärzten unter anderem „Wartelisten“ für nicht zwingend notwendige Mittel empfehlen. Einige Kassenärztliche Vereinigungen planen zudem bei Budgetausschöpfung „Notrezepte“, die die Patienten zunächst selbst zahlen sollen.

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