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Besinnung beim Shopping

Sonntägliche „Entspannung“ im Einkaufszentrum: Die Hamburger FDP lädt zur modernen Butterfahrt nach Schwerin  ■ Von Heike Dierbach

Geld kann man doch essen. Jedenfalls jenes, das der stellvertretende Hamburger FDP-Vorsitzende Joachim Sproß jetzt vor dem Infostand des Schlosspark-Centrums Schwerin an die Besucher aus Hamburg verteilt. Euros aus Schokolade bekommen die Gäste als „Begrüßungsgeld“: Die FDP-Kreisverbände Wandsbek und Mitte haben zum sonntäglichen „Shopping-Shuttle“ nach Schwerin geladen.

Früh morgens um zehn geht es mit einem gecharterten Bus von der FDP-Landesgeschäftsstelle an der Ost-West-Straße los. Zwanzig Einkaufswillige sind gekommen. Fast allesamt Parteimitglieder, meist junge Leute, viele Pärchen. Organisator Jörg Zeitz verteilt Fähnchen und FDP-Bonbons. Der stellvertretende Wandsbeker Bezirksvorsitzende ist guter Laune: „Heute kann ich das erste Mal mit meiner Freundin bummeln gehen“, frohlockt er, „nach acht Monaten!“. Doch natürlich ist das nicht der einzige Grund für die Aktion der Liberalen. „Wir wollen hier in Hamburg die Diskussion um den Sonntagsverkauf anstoßen“, so Zeitz, „der Bedarf ist da.“

Stephanie Luscher beispielsweise will einen Pullover kaufen und freut sich schon. „Es geht mir gar nicht ums Kaufen“, erklärt die 30jährige Kreisvorsitzende in Mitte, „bummeln und gucken ist für mich Freizeitgestaltung.“ Auch Sandro Schilder, Beisitzer im Landesvorstand, will die Bekleidungsgeschäfte ansteuern. In der Woche komme er nie dazu, berichtet der Berufssoldat. Ingeborg Zobel weiß noch nicht, was sie kaufen wird und will sich „spontan entscheiden“. Genügend Geld habe sie dabei, erklärt die Exportkauffrau. Die Einwände der Sonntags-Shopping-Gegner können sie richtig wütend machen: „Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, wann ich mich zu besinnen habe“, betont die 57jährige. „Außerdem kann auch ein gutes Gespräch mit einem Verkäufer Besinnung sein.“

Am Einkaufscenter Schlosspark angekommen, wünscht Zeitz allen ein frohes Einkausbummeln: „Ich werde jetzt mal mit meiner Schnecke losgehen.“ Iris Lange und Lotte Meyer, die kein Parteibuch haben, wissen noch nicht, ob sie überhaupt etwas kaufen. Sie sind einem Bekannten zuliebe mitgekommen. „Ich fände es zwar gut, wenn die Geschäfte sonntags aufhätten“, sagt Meyer, selbst Verkäuferin, „aber es muß nicht unbedingt sein.“ Sie würde auf keinen Fall sonntags arbeiten: „Ich will etwas von meiner Familie haben.“ Für die Sonntagsschichten sollten Arbeitslose eingestellt werden.

Für die Sicht der ArbeitnehmerInnen interessiert sich nun auch Sproß. Von der Verkäuferin an einem Wurststand möchte der Politiker wissen, wie sie mit der Sonntagsarbeit zurecht kommt. „Man gewöhnt sich dran“, berichtet die Frau. Um die Kinder kümmere sich halt der Mann. Zuschlag bekommt sie nicht. Die Angestellte in einem Pralinengeschäft schwärmt, die Kunden seien sonntags viel freundlicher. „Hier ist gute Stimmung“, stellt Sproß fest, „find ich toll.“ Die restlichen Schoko-Euros verteilt er an die Verkäuferinnen.

Nach knapp zwei Stunden treffen sich alle wieder mit Tüten beladen am Bus. „Ein schönes Einkaufszentrum“, lobt Luscher. Ihr Freund hat ihr einen Pulli und ein Kleid gekauft, er trägt eine Tüte mit Socken. Auch Zobel hatte ein „tolles Erlebnis“: Sie wurde von einem Verkäufer bei Media-Markt angesprochen, „sehr gut beraten“ und hat eine Soda-Stream-Maschine mitgenommen. Lotte Meyer und Iris Lange haben ebenfalls etwas gefunden. „Wir hoffen, daß sie alle ein bisschen entspannen konnten“, sagt Zeitz übers Bordmikrophon und kündigt noch eine Runde durch die Stadt an.

Busfahrer Heinz Meier erläutert die Sehenswürdigkeiten. Am Schweriner Schloss schlägt er vor, die FDP könne doch auch dorthin einmal einen Tagesausflug machen. „Mit den Wählern – Senioren oder so“, sagt er jovial und dann, nach einer kurzen Pause: „Hab ich jetzt was Falsches gesagt?“

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