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Brasiliens wichtige Genbohnen

■ Der große Sojalieferant entscheidet gerade, ob Europa noch genfreies Eiweiß kaufen kann. Bundesrichter verlangt von Monsanto einjährigen Versuch zu Umweltrisiken

Berlin (taz) – In Brasilien entscheidet sich dieser Tage, ob der Wunsch der europäischen Verbraucher nach gentechnikfreier Nahrung künftig noch zu erfüllen sein wird. Denn Sojaprodukte ohne manipuliertes Erbgut dürften auf dem Weltmarkt zur Rarität werden, wenn es dem Konzern Monsanto gelingt, auch in Brasilien seine „Roundup Ready“-Bohnen auf die Felder zu bringen. Sie sind gegen den konzerneigenen Unkrautvernichter „Roundup“ unempfindlich.

Gestern hat Monsanto einen herben Rückschlag vor einem brasilianischen Gericht erlitten. Bundesrichter Antonio Souza Prudente forderte von dem US-amerikanischen Genmulti eine einjährige Umweltverträglichkeitsstudie. Dieser Rechtsstreit ging schon durch verschiedene Instanzen. Monsanto kann gegen die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen Berufung eingelegen. Nach Ansicht von Greenpeace besteht jedoch keine Aussicht, dass das Verfahren vor der Ende Oktober beginnenden Sojaaussaat wieder aufgenommen wird. Greenpeace hatte geklagt und freut sich nun über den Aufschub.

In den USA hingegen, dem größten Sojaland der Welt, ist Monsanto sehr erfolgreich mit seiner Roundup-resistenten Bohne. Dort wird bereits auf mehr als der Hälfte der Sojaanbaufläche gentechnisch verändertes Saatgut eingesetzt. Argentinien setzt ebenfalls auf Gentechnik. In Brasilien, dem weltweit zweitgrößten Sojaproduzenten, wachsen dagegen – zumindest offiziell – ausschließlich naturbelassene Sorten.

Brasilien als Dritter im Bunde ist deswegen so wichtig, weil die drei Länder zusammen etwa 75 Prozent der Weltsojaernte liefern. Setzt das Amazonasland auf Gensoja, würde fast jedes Sojaprodukt Anteile von gentechnisch veränderten Pflanzen enthalten.

Die Hülsenfrucht aus Ostasien ist heute auf unserer Speisekarte allgegenwärtig: Ihr Fett kommt direkt als Sojaöl auf den Teller, das Eiweiß nimmt meist den Umweg übers Schnitzel – es dient überwiegend als Viehfutter. Sojaeiweiß ist aber auch Bestandteil vieler Fertignahrungsmittel. Sojalecithin schließlich hält als Emulgator in Schokolade und zahllosen anderen Lebensmitteln Fett und Wasser zusammen. Kennzeichnungspflichtig sind diese nicht, da Lecithin nur ein Zusatzstoff ist.

Lediglich auf gentechisch verändertes Eiweiß muß das Etikett hinweisen. Ein solcher Vermerk aber kann geschäftsschädigend sein, wie die Firma Nestlé erfahren mußte: Ihr Schokoriegel „Butterfinger“ aus genmanipuliertem Mais sollte die Gentech-Akzeptanz bei Jugendlichen fördern. Doch seit Mitte Juli ist er – trotz aufwendiger PR-Kampagne – wieder vom Markt verschwunden.

Folgerichtig streicht ab sofort auch der Chemiekonzern Novartis die freiwillige Kennzeichnung seines „powerplay“-Riegels mit Lecithin aus Gentech-Soja. Dagegen kennzeichnet das Handelsunternehmen Bremke & Hoerster (Famila- und Combi-Märkte in NRW) jetzt als erste Supermarktkette einzelne Produktreihen ausdrücklich als „gentechnikfrei“. Denn „,Ohne Gentechnik‘ wird immer mehr zu einem Qualitätsmerkmal für Lebensmittel, das von den Verbrauchern gefordert wird“, so Geschäftsführer Andreas Bremke.

Ob dieses Qualitätsmerkmal bei Sojaprodukten zukünftig noch zu haben ist, hängt nicht zuletzt von der Entwicklung in Brasilien ab. Nur auf Versuchsfeldern wachsen dort bisher genmanipulierte Sorten. Im Bundesstaat Rio Grande do Sul ist auch das nicht zulässig: Der Gouverneur Olivio Dutra erklärte diesen Landesteil, aus dem gut ein Fünftel der brasilianischen Sojaernte stammt, zur „gentechnikfreien Zone“. Andererseits hatte die Brasilianische Kommission für Biologische Sicherheit CNTBio schon im September 1998 fünf Gentech-Sojasorten genehmigt. Diesen April bekräftige die Regierung diese Entscheidung und erklärte: „Es liegen keinerlei wissenschaftliche Belege zu angeblichen Gesundheitsschäden durch gentechnisch veränderte Lebensmittel vor.“

Brasilianische Wissenschaftler sehen das anders: Auf der Jahrestagung 1999 der „Brasilianischen Gesellschaft für wissenschaftlichen Fortschritt“ SBPC in Porto Alegre empfahlen sie ein fünfjähriges Moratorium für Gentech-Pflanzen, um zunächst die Effekte auf Umwelt und Gesundheit zu untersuchen. „Es war ein Fehler, dass CTNBio Gutachten akzeptiert hat, die von Monsanto selbst angefertigt wurden“, so der Biochemiker und neugewählte SBPC-Präsident Glaci Zanacan.

Die jüngste Entscheidung von Bundesrichter Souza Prudente dürfte erst einmal ein Jahr Aufschub geben. Eine hundertprozentige Garantie gibt es dennoch nicht: Gerüchten zufolge gelangt Roundup-Ready-Saatgut illegal aus Argentinien nach Brasilien. Die Bauern erwarten geringere Kosten für Herbizide – angesichts niedriger Weltmarktpreise für Soja zählt jeder Centavo. Zwar seien die Europäer bereit, bis zu 50 Prozent mehr für gentechnikfreie Ware zu bezahlen, ermittelte José Hoffmann, Landwirtschaftsminister von Rio Grande do Sul, bei einer Europareise in Mai. Doch werden höhere Preise wohl allenfalls für Sojabohnen zu erzielen sein, deren gentechnikfreie Erzeugung zweifelsfrei nachgewiesen ist.

Wiebke Rögener

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