: Frauen und Justiz: Die Beziehungstat
Frauen laufen eher Gefahr, Opfer zu werden als Täterin. Mehr als fünfzig Prozent der Opfer von Tötungskriminalität sind weiblich. Dabei werden sie fast immer von Männern getötet. Und das nicht von fremden, sondern meist von ihren Ehemännern, Freunden oder Verlobten.
Tötungsdelikt als Beziehungstat. Dieser Zusammenhang trifft umgekehrt auch auf Täterinnen zu. Frauen töten selten Unbekannte. Aber vor allem töten sie weniger: Nur etwa zehn Prozent der polizeilich gemeldeten Tötungsdelikte werden von Frauen verübt. Im Vergleich kommen auf jeden in einer Partnerschaft getöteten Mann neun tote Frauen.
Mehr als die Hälfte der Frauen, die einen Mann töten, waren zuvor über einen längeren Zeitraum misshandelt worden, ergeben Studien von Professor Dagmar Oberlies, Vorsitzende der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes und Mitherausgeberin der feministischen Rechtszeitschrift Streit.
Kommt es zum Prozess, verlassen vergleichsweise mehr Frauen den Gerichtssaal mit dem Urteil „Mord aus Heimtücke“ als Männer. Bei drei Viertel der Mordverurteilungen gegen Frauen wird dieses umstrittene Mordmerkmal herangezogen. Nach der Rechtssprechung liegt „Heimtücke“ vor, wenn die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst ausgenutzt wird.
Das strafmindernde Kriterium der Notwehr dagegen bezieht sich nur auf einen so genannten gegenwärtigen Angriff – Misshandlung, die nicht zeitgleich stattfindet, ist rechtlich schwer einzuordnen.
Gewalttätige Männer, die ihre Frau töten, werden nach den Ergebnissen der Juristin Oberlies so gut wie nie wegen Mordes verurteilt. Zum Beispiel fehlt die für „Heimtücke“ notwendige Arglosigkeit des Opfers – sie wird dem Opfer nicht zugestanden, wenn der Mann die Frau jahrelang misshandelt hatte.
Männer brauchen selten Waffen, wenn sie gegen Frauen vorgehen. Etwa die Hälfte der Tötungsdelikte an Frauen wird mit reiner körperlicher Gewalt begangen. Achtzig der Prozent der Frauen dagegen bewaffnen sich – auch dies ein Kriterium, das zu einem höheren Strafmaß führt.
Lautet das Urteil auf Mord, erwartet den Delinquenten lebenslänglich, das bedeutet, das Strafmaß kann frühestens nach fünfzehn Jahren überprüft werden. ank
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