KFOR: Entwaffnung der UÇK nach Plan

Zwar drängen die Albaner auf Einhaltung der Vereinbarungen, doch die Spannungen mit der KFOR wachsen. Die Kosovo-Albaner erkennen, dass die internationale Gemeinschaft das Sagen hat  ■   Aus Pristina Erich Rathfelder

Die Demilitarisierung der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK ist bisher nach Plan verlaufen. Dies bestätigten gestern in Priština sowohl die internationalen Streitkräfte KFOR als auch die UÇK. Die UÇK-Führung habe sich kooperativ verhalten, sagten die internationalen Sprecher. Und die albanische Interimsregierung versprach, alle Vereinbarungen einzuhalten, um „eine demokratische und tolerante Gesellschaft im Kosovo“ aufzubauen. Doch im Hintergrund nehmen die Spannungen zwischen beiden Seiten zu.

60 Tage nach Inkrafttreten des Abkommens zur „Transformation und Demilitarisierung der UÇK“ wurden zwar jetzt, wie im Plan verlangt, weitere 30 Prozent der Waffen der Befreiungsarmee an gemeinsam kontrollierten Sammelplätzen abgegeben. Damit sollen insgesamt 60 Prozent der Waffen an diesen Sammelplätzen abgelegt und registriert sein. In von heute an weiteren 30 Tagen, also 90 Tage nach der Unterzeichnung des Abkommens, müssen vereinbarungsgemäß sämtliche Waffen eingesammelt sein. Die Sammelstellen werden dann allein durch die KFOR-Truppen kontrolliert.

Doch nach wie vor ist offen, ob sich wirklich alle UÇK-Mitglieder an das Abkommen halten werden. Der Umlauf der Waffen, so Experten der KFOR, sei kaum zu kontrollieren. Die Angabe von Prozentzahlen lasse zudem keinen Rückschluss zu, ob die ursprünglich angegebene Anzahl der Waffen tatsächlich mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Geheime Waffenlager könnten durchaus unterhalten werden. Der Demilitarisierungsplan ignoriere zudem die Mentalität der albanischen Bevölkerung. Nach all den Jahren der Unterdrückung, der Machtlosigkeit, falle es vielen Kämpfern schwer, auf die scheinbare Sicherheit der Waffen zu verzichten.

Schon in den ersten Wochen hat es an Fingerspitzengefühl der internationalen Seite gefehlt. Die vom internationalen Administrator Bernard Kouchner vorgeschlagene Übernahme der im Miloševic-Staat herrschenden Gesetze wurde zwar am vergangenen Montag zurückgenommen. In der kosovo-albanischen Öffentlichkeit jedoch hinterließ die Ungeschicklichkeit des Adminstrators einen verheerenden Eindruck. Die Freude über die Anwesenheit der internationalen Truppen ist der Ernüchterung gewichen.

Die albanische Seite musste erkennen, dass sie einem Missverständnis aufgesessen war. Viele hatten geglaubt, die Intervention der Nato sei für die albanische Bevölkerung gegen die Serben erfolgt und somit eine Parteinahme gewesen. Dass die Nato aus prinzipiellen Erwägungen, zum Schutze der Menschenrechte, eingegriffen hatte, nicht jedoch „für die Albaner“, wird erst jetzt erkannt. Die Resolution 1244 des Weltsicherheitsrates, das der UN-Verwaltung im Kosovo zugrunde liegt, erlaubt ein starkes Mandat der internationalen Verwaltung. Die UNMIK, die UN-Mission im Kosovo, hat in den Städten und Bezirken schon jetzt die Macht an sich gezogen. Die kurz nach dem Einmarsch der Nato-Truppen von der UÇK gegründeten Selbstverwaltungsbehörden sind zum größten Teil abgeschafft oder unter die Führung der UNMIK gestellt. Das Staatseigentum ist unter der Kontrolle der UNMIK, die öffentlichen Gebäude ebenfalls. Die UÇK-Polizei wird in weiten Landesteilen – mit einigen Ausnahmen – als illegal eingestuft.

Kosovo, dies müssen die Albaner nun feststellen, ist dabei, faktisch tatsächlich zu einem Protektorat der Vereinten Nationen und der KFOR zu werden. Oder, wie es ein UN-Offizieller ausdrückt, „wir haben jetzt das Mandat, das wir uns im Falle der Krajina-Serben in Kroatien und Bosnien-Herzegowina gewünscht hätten.“ Ein Mandat also, das sich gegen die extremistischen Führungen der Volksgruppen dort hätte anwenden lassen. Für die Albaner stellt sich nun heraus: Das Kosovo bleibt nach dieser Resolution Teil des serbischen Staates, das schon totgesagte Abkommen von Rambouillet ist quicklebendig. Das Ziel aller Kosovo-Albaner, die staatliche Unabhängigkeit zu erreichen, ist, wenn nicht verschwunden, so doch in weite und nicht mehr greifbare Ferne gerückt. Und das enttäuscht.

Mit der Auflösung der UÇK-Polizei und dem Umstand, dass die internationale Polizei noch nicht funktionsfähig ist, sei ein Sicherheitsvakuum entstanden, in dem die unterschiedlichsten Verbrechen begangen werden, beklagen auch unabhängige albanische Politiker. So der Herausgeber der Tageszeitung Koha Ditore, Veton Suroi, der zudem Mitglied des Konsultativrates ist, einem Beratungsgremium der Führung der UN-Mission. Suroi, der in einem Aufsehen erregenden Kommentar angesichts der brennenden Häuser und der Morde an Serben in seiner Zeitung seine Landsleute davor warnte, in „einen Faschismus“ abzugleiten, fordert schnelle Maßnahmen auf diesem Gebiet. „Auch in ihrer Heimat hätten Kriminelle leichtes Spiel, fiele der Strom aus, funktionierte das Telefon nicht mehr, wäre die Polizei aufgelöst“, erklärte er gegenüber der Zeitung. Es gäbe allerdings im Kosovo darüber hinausgehend soziale Dispositionen, die zu Verbrechen führten. Manche Leute könnten zur Zeit nicht davor zurückgehalten werden, Rache zu üben.

Seit dem 12. Juni, dem Einmarsch der Nato, wurden 87 Albaner und 74 Serben im Kosovo getötet. „Mit abnehmender Tendenz“, sagen die KFOR-Sprecher und rechnen dies der Einsatzbereitschaft ihrer Soldaten an.

Was wird aber sein, wenn am 16. September, wie in der „Militärisch-Technischen Übereinkunft“ mit dem jugoslawischen Staat festgeschrieben, mehrere Hundert serbische Polizisten in das Kosovo zurückkommen werden?

„Dann werden wir gezwungen sein, die serbischen Polizisten mit unserem Leben gegenüber aufgebrachten Albanern zu verteidigen“, befürchtet in Prizren ein deutscher KFOR-Soldat. Die jetzt noch versteckt gehaltenen Waffen könnten dann ausgegraben werden.