Paradies zwischen Containern und Tanks

Mitten im Hamburger Hafen leben Graureiher, Zwergseeschwalben und Säbelschnäbler. Grund genug für GAL und BUND, die Natur hier besser zu schützen  ■ Von Gernot Knödler

Hinterm Peutehafen liegt das Paradies. In einem kleinen See stehen Flecken von Binsen und dünnen toten Bäumen. Ein halbes Dutzend Schwäne pflügt in Kiellinie durch die Wasserlinsen, Büsche und Bäume runden das Panorama ab. Hier leben die gefährdeten Graureiher und Zwergtaucher und Deutschlands größte Amphibienart: der Seefrosch, der bis zu 16 Zentimeter lang werden und Fischen davonschwimmen kann.

Trotzdem genießt das rund vier Fußballplätze große Gebiet keinerlei Schutz. Im Gegenteil: das Amt für Strom- und Hafenbau darf hier schalten und walten wie es will. Würde die Natur zerstört, müsste das nicht einmal ausgeglichen werden. Denn das Biotop gehört zum Hafen und für den macht das Hamburgische Naturschutzgesetz so manche Ausnahme. Die GAL und der BUND wollen das ändern.

Nicht ausgeglichen werden muss nach dem seit 1981 geltenden Gesetz das Herstellen, Beseitigen und wesentliche Umgestalten von Gewässern und Kaianlagen; außerdem alles, was zur Unterhaltung der Gewässer getan wird und zum Schutz gegen Hochwasser. „Es gibt für die Flächen im Hafen keine Schutzmöglichkeit“, sagt Antje Möller, die umweltpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion.

Während der Bauer in den Vier- und Marschlanden für jeden Knick, den er umlegt, Ersatz schaffen muss, wird das Amt für Strom- und Hafenbau allenfalls von der Europäischen Kommission gestoppt – wie etwa im Rodewischhafen, wo der Botanische Verein im vergangenen Jahr Exemplare des äußerst seltenen Schierlings Wasserfenchels entdeckte.

Im Zuge der laufenden Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes wollen GAL und BUND daher die generelle Privilegierung des Hafens aufheben. Ein Gesetzentwurf der Umweltbehörde wird derzeit in den anderen Senatsbehörden diskutiert. „Selbstverständlich soll die Hafennutzung sein, selbstverständlich sollen Eingriffe möglich sein“, sagt Antje Möller. „Aber es gilt die Veränderungen, die aufgrund von brachliegenden Flächen entstanden sind, in diese neuen Planungen einzubeziehen.“

Harald Köpke, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) in Hamburg würde deshalb am liebsten eine Gebietsliste erstellen: Bestimmte, heute wertvolle Flächen sollten als „Trittsteinbiotope“ dem uneingeschränkten Zugriff der Hafenwirtschaft entzogen werden. Antje Möller dagegen plädiert für eine flexiblere Lösung: „Es geht schon um eine generelle Möglichkeit des Schutzes der Natur im Hafen“, sagt die GAL-Fraktionsvorsitzende.

Die Ausweisung als Hafengebiet ist gleichzeitig Segen und Fluch der Biotope: Einerseits entstehen sie erst dadurch, dass die Flächen reserviert sind. Weil Kais und Becken immer mehr Platz brauchen, wandert der Hafen seewärts. Alte Flächen fallen brach und werden von Tieren und Pflanzen zurückerobert. Andererseits hängt über diesen Oasen stets das Damoklesschwert. Jederzeit könnten sie bebaut oder anderweitig genutzt werden.

Der Rodewischhafen zum Beispiel sollte für eine künftige neue Nutzung mit Sand aufgefüllt werden. Säbelschnäbler, Brandgänse und Steinschmätzer hätten sich ein neues Zuhause suchen müssen. Für einige Vögel der mehr als 60 Arten, die sich zwischen den Tanklagern auf der Hohen Schaar eingerichtet haben, wurde das Realität. Dort fand Daimler-Chrysler einen neuen Standort für sein LKW-Service-Zentrum, das zuvor am Heidenkampsweg nahe der Innenstadt gelegen hatte.

Auch am Reiherstieg in Wilhelmsburg, wo Werfthallen verfallen und Schiffe malerisch verrotten, sind nach Angaben des BUND bereits ökologisch wertvolle Flächen verloren gegangen. Hier brüten die in Hamburg vom Aussterben bedrohte Zwergseeschwalbe und der Austernfischer, das Wappentier des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer.

Was Harald Köpke in diesem Fall besonders ärgert: Dort – wie im Falle von Daimler-Chrysler auf der Hohen Schaar – siedelte die Wirtschaftsbehörde mit dem Deutschen Paketdienst und der Spedition Hellmann Betriebe an, die nur am Rande etwas mit dem Hafen zu schaffen haben. „An und für sich sehr umweltfreundliche Betriebe, die auch die Eingriffsregelung getragen hätten“, bedauert der BUND-Mann.