: Russen vor Orahovac abgewiesen
■ Kosovo-Albaner machen ihre Ankündigung wahr und blockieren die Zufahrtsstraßen der Stadt. Dessen ungeachtet besteht die KFOR auf dem Einrücken der russischen Soldaten
Pristina/Orahovac (dpa/rtr/AP) – Russische Soldaten der Kosovo-Friedenstruppe KFOR sollen trotz der verschärften Proteste der albanischen Bevölkerung in Orahovac in die Stadt einrücken. Das sagte gestern ein KFOR-Sprecher in Priština. Die russischen Einheiten leisteten im Kosovo hervorragende Arbeit, fügte er hinzu.
Seit dem frühen Morgen blockierte die albanische Bevölkerung nach zahlreichen Demonstrationen die Zufahrtsstraßen nach Orahovac im Süden des Kosovo, um eine Stationierung der russischen Truppen zu verhindern. Zwei Geländewagen und ein gepanzerter Mannschaftswagen kehrten nach drei Versuchen, in die Stadt zu gelangen, um, nachdem protestierende Kosovo-Albaner den russischen Soldaten erklärt hatten, sie seien unerwünscht. Auch deutsche und niederländische Soldaten, die die Albaner zum Nachgeben bewegen wollten, durften nicht in die Stadt.
Mit Autos, Traktoren und Lastwagen blockierten die Anwohner die Hauptzufahrtsstraße des rund 40 Kilometer südwestlich der Provinzhauptstadt Priština gelegenen Ortes. An mehreren Stellen machten Autowracks, Betonbrocken und Metallstücke die Straßen unpassierbar. An Häuserwänden am Ortseingang standen Parolen wie „Die Nato ist willkommen, aber die Russen nicht“.
Die Kosovo-Albaner hatten sich bereits am Vorabend an mehreren Straßen versammelt, um die Durchfahrt der russischen Einheit zu verhindern. Das Vorauskommando soll die Stationierung der russischen KFOR-Soldaten im Austausch für die Niederländer in Orahovac vorbereiten. Die Nato hat den Wechsel in dem Gebiet, das die Niederländer bislang gemeinsam mit deutschen Bundeswehrsoldaten kontrollierten, vorbereitet. Die Kosovo-Albaner befürchten, dass die russischen Soldaten nicht energisch genug gegen serbische Kriegsverbrecher vorgehen werden, die sich in Orahovac versteckt halten sollen. In den Augen der Kosovo-Albaner ist Russland ein traditioneller Verbündeter der Serben.
Ein russischer Offizier versuchte die Albaner an der Sperre vergeblich davon zu überzeugen, dass die Soldaten gemäß internationaler Abkommen nun die Kontrolle der Stadt übernehmen sollten. Der russische Oberst Andrej Serdukow erhielt auf seine Frage, warum es nicht weitergehe und wo das Problem liege, von den Organisatoren der ein Kilometer langen Straßensperre die Antwort: „Die Russen sind das Problem.“ Man werde die Blockade fortsetzen, bis feststehe, dass keine Russen nach Orahovac kämen. Serdukow antwortete darauf, das werde nicht geschehen. Seine Vorausabteilung zog sich anschließend zu Beratungen ins russische Hauptquartier nach Mališevo zurück. Wie der Kommandeur der Luftlandetruppen, Georgi Schpak, der russischen Nachtichtenagentur Itar-Tass sagte, würden seine Einheiten andere Wege finden, um ihren Auftrag zu erfüllen.
Unterdessen lieferte die serbische Bevölkerung in Orahovac weiter ihre Waffen ab. Die KFOR berichtete, es seien inzwischen mehr als 500 Waffen abgegeben worden. Die Friedenstruppe hatte bei der Festnahme von drei mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechern auch eine Liste mit Waffenbesitzern sichergestellt.
Die UN-Mission im Kosovo (Unmik) teilte gestern mit, die drei Serben sollten im Kosovo vor ein Gericht des neuen Justizwesens gestellt werden. Den Männern wird eine Beteiligung an Morden und an Brandschatzung im Frühjahr dieses Jahres vorgeworfen.
Die Polizeitruppe der UNO übernahm gestern in Priština die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit. Sie soll Gesetze durchsetzen, Verbrechen untersuchen und Straftäter verhaften. Britische Soldaten unterstützen die UN-Polizisten, unter ihnen auch deutsche Beamte. Später sollen den UN-Leuten einheimische Polizisten zur Seite gestellt werden.
Heute werden der deutsche Außenminister Joschka Fischer und sein französischer Amtskollege Hubert Védrine in Priština eintreffen. Sie wollen alle Bevölkerungsgruppen auffordern, von Gewalt Abstand zu nehmen und mit der internationalen Friedenstruppe zusammenzuarbeiten. In Prizren und Kosovska Mitrovica wollen die beiden Minister die deutschen und französischen KFOR-Truppen besuchen und mit den wichtigsten Repräsentanten der Bevölkerung sprechen.
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